strafplanet erde: seifige formulierungen von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Morgens um kurz vor sieben ist der Pawlow in mir putzmunter. Seiner Kernkompetenz entsprechend reagiert Dottore Pawlow reflexartig. Ich dagegen bin morgens tranig, egal wie spät es ist, und an jenem Tag blinzelte ich sogar transusenhaft in den Badezimmerspiegel.

„Kenn ich nicht, wasch ich nicht“, rief Schurke Pawlow, Säule des Alltags, pflichtschuldigst die olle Kamelle auf. Einem Wesen, das keinem Kalauer ein Verfallsdatum erlaubt, kann ich nicht böse sein. Wahrscheinlich, weil ich selbst in der Branche tätig bin. Herrlich. Und so inspirierend. Ich tat ihm den Gefallen. Das perlende Lachen über den Schnack war bis dorthinaus zu hören. Irgendwo bellte ein Hund. Genosse Pawlow war’s zufrieden.

Plötzlich vor Aktionismus strotzend, suchte ich nach den Rasierutensilien und drehte den Radioknopf nach rechts. Wie bestellt piepte es dreimal kurz und einmal lang aus dem Lautsprecher: Nachrichten. Die CSU veranstaltete ihre Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Umgehend übernahm ich: Mitnichten wild, sondern kreuzmüde stehe ich im Bad und stelle mich der Rasurbefragung.

Na dann los. Es brummten Fragen durchs Hirnkastl: „Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Und warum ist ein geschüttelter Reim manchmal nichts als gerüttelter Schleim?“ Fragen, die unbeantwortet blieben, Fragen, die für die Jahreszeit zu kühl, nein, für die Tageszeit zu hoch dahertrottelten. Dringlicher war diese: Wo hatte sich der Rasierpinsel versteckt?

Sobald von Pinseln die Rede ist, holt Pawlow oder irgend jemand anderes die Anekdote von Dieter Hoeneß aus dem Fundus. Im „Sportstudio“ nahm der Hüne Abschied vom professionellen Ballspielen, und der Moderator fragte ihn, was er jetzt vorhabe, er habe gehört, er, Hoeneß, sei der Aquarellmalerei zugetan. Ja, sagte der, er werde jetzt eine Weile die Hände in den Schoß legen und zum Pinsel greifen.

Der Entdeckung meines Rasierpinsels schloss sich die Fahndung nach der Rasiercremetube an. Sie hatte in ihrer Schachtel übernachtet. Ein Kontrollblick darauf gab mir den Rest. „Logona Mann Rasiercreme ist eine milde, sehr ergiebige seifige Formulierung.“ Genau das passende Leitbild an diesem Morgen, den sie mir gebraucht angedreht hatten, dachte der Mann in mir umwölkt-schwächelnd.

Das Schaben der Doppelklinge begleitete das Radio wie wild und spuckte seifige Formulierungen aus, die im Hirn kleben blieben. Einer dieser Expertenpinsel gab bekannt, dass nach Meinung vieler Anlagestrategen Value-Phasen an den Börsen in Wellenbewegungen ablaufen. Merkwürdiger als diese sensationelle Spektralanalyse war die Meldung, dass Location-based-Services das nächste große Multimedia-Ding sind. Das bestätige eine Mobilfunkstudie. „Demnach sind die meisten Handy-Nutzer sehr daran interessiert, per Mobiltelefon Informationen über ihren jeweils aktuellen Standort abzurufen.“ Woher wir kommen? Wohin wir gehen? Na-hein! Wo bin ich: ein Rätsel des 21. Jahrhunderts endlich geklärt.

Durch den Flur schleichend, hangelte ich mich zum letzten seifigen Kalauer durch: „Lieber Gott, lass Abend werden, am besten vor dem Frühstück.“ Der Wunsch ward erhört. Frisch rasiert stieg ich in die Federn.