: Die Wärme ist der Schlüssel
ENERGIE II Stromsparen ist gut. Die meiste Energie wird aber fürs Heizen gebraucht. Noch immer fehlt ein echtes Konzept, wie man Heizenergie erneuerbar herstellen kann. So lange bleibt die Fernwärmeerzeugung in Großkraftwerken die ökologischste Variante
Auch wenn Berlin ein Öko-Stadtwerk bekommt, wenn sauberer, dezentral erzeugter Strom durch unsere Leitungen fließt – die Energiewende ist damit noch nicht geschafft: Wer wirklich Energie sparen will, muss auch bei der Wärme ansetzen. Nicht von ungefähr hat das Wetter derzeit den größten Einfluss auf unseren Energieverbrauch. Ein paar besonders kalte Winterwochen, und die jährliche Energie- und Klimabilanz der Stadt ist versaut.
Als es Anfang 2010 besonders frostig war, machte das nicht nur der S-Bahn Probleme. In den Haushalten wurden die Heizungen höher gedreht. Die Folge: Übers Jahr gesehen, stieg der Energieaufwand für Wärme im Vorjahresvergleich um 11 Prozent. Der CO2-Ausstoß für Berlin – inklusive Verkehr und Industrie – stieg dadurch um 6 Prozent.
Berlins energetischer Vorteil ist sein ungewöhnlich großes Fernwärmenetz – mit 1.500 Kilometern das größte Westeuropas. Ein Drittel der Haushalte hängt an diesem Netz, der Rest heizt mit Gas oder Öl. Einige wenige Wohnungen haben auch noch einen Kohleofen – insgesamt betrachtet, kann man das aber inzwischen vernachlässigen.
Ein Vorteil, weil Fernwärme die klimafreundlichste Variante darstellt. Sie wird vor allem in neun Vattenfall-Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung hergestellt. Verbrannt wird Kohle oder Gas, auch etwas Holz mischt Vattenfall inzwischen bei.
Die Kraftwerke sind im Vergleich mit Gas- oder Ölheizungen klimafreundlich, weil sie neben Wärme auch Strom produzieren. Die modernen Vattenfall-Gaskraftwerke sind sogar besser fürs Klima als dezentrale Blockheizkraftwerke. Der Grund: Die Großanlagen setzen einen größeren Teil der Energie in Strom um und einen kleineren in Wärme. Bei den Blockheizkraftwerken ist es genau anders herum.
Je höher der Stromanteil im Output eines Kraftwerks, desto weniger Strom muss auf anderem Wege hergestellt oder nach Berlin importiert werden. Der Strom aus den mit Gas befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungs-Großkraftwerken verdrängt also anderen Strom. Und derzeit ist die klimaschädlichere Kohle bundesweit der dominierende Energieträger bei der Stromproduktion. Kein Kleinkraftwerk kann übrigens jemals einen so hohen Stromanteil liefern wie die neu gebauten Anlagen von Vattenfall. Und deren Filter holen auch wesentlich mehr Feinstaub, Stickoxide und Kohlenmonoxid aus den Abgasen.
Groß ist doch am besten
Daher meint Malte Schmidthals vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen, der sich beim Energietisch engagiert: Als Ersatz für das Rummelsburger Braunkohlekraftwerk Klingenberg gibt es keine bessere Lösung als die, die Vattenfall plant: ein großes, modernes Gaskraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung.
Auf lange Sicht ist das Problem, dass ein echtes Konzept fehlt, wie man Heizenergie erneuerbar herstellen kann. Erwärmt man Wasser in Sonnenkollektoren auf dem Dach, deckt das nur einen kleinen Anteil des Wärmebedarfs. Denn genau dann, wenn man am meisten Wärme braucht, also im Winter, scheint die Sonne am kürzesten. Holz kann nur einen kleinen Teil der benötigten Wärme liefern – es wächst viel zu langsam nach. Wärme aus einigen tausend Meter Tiefe zu nutzen ist eine Vision, hat aber in Deutschland den Praxistest noch nicht bestanden. Ob es für den Bedarf einer Großstadt reicht, ist ohnehin fraglich.
Malte Schmidthals sieht daher nur den Weg, den Wärmeverbrauch massiv zu senken: Innerhalb der nächsten 30 Jahre müsste man alle Häuser so aufwendig sanieren und dämmen, dass sie völlig ohne Heizung auskommen. Dann braucht es nur noch ein bisschen warmes Wasser zum Duschen, und das kann man zur Not auch mit Strom erhitzen – der natürlich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommt. SEBASTIAN HEISER
■ Genauere Infos, warum Wärme aus Großkraftwerken die beste ist: www.taz.de/rechercheblog