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Archiv-Artikel

Die Flucht ins Spiel

Zu elf Monaten auf Bewährung wurde ein spielsüchtiger Polizist verurteilt, der sich aus der Staatskasse bediente

Bremen taz ■ Der Hinweis ist klein und eher unauffällig angebracht, neben dem Impressum. „Spielsucht“ heißt es da bei www.oddset.de, der staatlichen Sportwette im Internet. Und weiter: „Erhalten Sie sich den Spaß am Spiel, hüten Sie sich davor, mit aller Macht Geld gewinnen zu wollen.“

Horst R. hat den Hinweis nicht gelesen. „Ich habe zu spät erfahren, dass ich süchtig bin.“ Und sein Rechtsanwalt Bernd Steger, der war an diesem Donnerstag vor dem Bremer Amtsgericht gar nicht gut auf Oddset zu sprechen. Eine „staatliche beschaffte Droge“ sei das, schimpfte er, „staatlich provozierte Sucht“. Der Staat hat Horst R. trotzdem verurteilt. Wegen Unterschlagung. Mehr als 3.100 Euro hat der 48-Jährige beiseite geschafft, staatliche Gelder. Horst R. ist Polizeikommissar – noch – und bis vor kurzem war er es, der im Gröpelinger Polizeirevier die eingenommenen Verwarnungsgelder verwaltete und auf die Bank trug. Oder eben nicht.

Insgesamt 17 Mal griff der Polizist in die Kasse, hielt ihm der Staatsanwalt gestern vor, und das innerhalb von nur wenigen Wochen. „Das wird so gewesen sein“, antwortet R. in knappen Worten. Aber ganz genau könne er das jetzt nicht mehr sagen. „Die Summe stimmt.“ Kontrolle gab es keine. Nur „einmal im Jahr“, da kam der Revierleiter. Und zeichnete die Belege ab.

Er wollte seinem Sohn „etwas bieten“, rechtfertigt sich Horst R. zunächst – um dann doch noch auf das leidige Thema zu kommen. „Spielsucht“, diagnostiziert auch Gutachter Gerhard Meyer von der Uni Bremen. 50 bis 100 Euro verwettete Horst R. jeden Tag, bis zu zwanzig Scheine trug er dann in die Annahmestelle. „Ich konnte nichts mehr dagegen machen.“ Die Spiele selbst – er hat sie nie verfolgt. Nur das Ergebnis zählte.

Doch das Einkommen reichte schon bald nicht mehr aus, das geteilte Einkommen, denn auch die geschiedene Frau wollte versorgt sein. Irgendwie kam dann eins zum anderen. Die kaputte Ehe, das verkaufte Haus, das Auto, das er sich nicht mehr leisten konnte. Und dann der einstige „Traumberuf“, der keinen Spaß mehr machte, weil Horst R. nur noch zum Innendienst taugte. Die Spielschulden. „Ich versuche, das wieder hinzubiegen“, sagt er heute. Große Worte macht er nicht. Macht er nie.

Elf Monate auf Bewährung verhängt die Amtsrichterin am Ende. Gerade so viel, dass der suspendierte Polizist nicht automatisch aus dem Öffentlichen Dienst entlassen werden muss.

Jan Zier