: „Der Fischkindergarten ist für uns tabu“
INTERVIEW CHRISTIANE MARTIN
taz: Herr Isaiasch, wie wurden Sie König der Fischer?
Dietmar Isaiasch: Reine Leidenschaft. Mein Großvater, der von den masurischen Seen stammt, hat mich schon als kleinen Jungen ans Angeln herangeführt. Schon früh war ich ständig am Wasser, egal wie schweinisch das Wetter war. Mit 18 Jahren hatte ich in der Branche bereits einen gewissen Namen, weil ich als Schüler für Fachzeitschriften Artikel übers Angeln verfasste. Den Weltmeistertitel im Raubfischangeln haben meine Frau und ich 2002 nach mehreren offenen Ausscheidungswettbewerben geholt. Übrigens sind wir für Holland gestartet, wo wir seit gut sieben Jahren leben.
Angeln Sie im Rhein?
Ich habe vor allem früher sehr viel im Rhein gefischt. Heute angle ich manchmal im deutschen Rhein vom Ufer aus, häufiger aber im niederländischen Rhein vom Boot aus.
Und was fangen Sie so?
Da fängt man von Hecht, Barsch, Zander bis hin zu Karpfen und Aal eine Vielzahl von Fischarten. Und in den letzten Jahren ist der Rhein auch immer sauberer geworden. Da fängt man auch häufiger schon mal Forellen oder Lachse. Allerdings sind die Sportangler gehalten, diese wieder zurückzusetzen.
Ein weniger verschmutzter Rhein bekommt den Fischen also. Fänden Sie es da nicht richtig, wenn der Fluss noch stärker unter Schutz gestellt würde?
Eigentlich reicht der derzeitige Schutz. Da muss man nichts verbessern. Viele Fischarten sind dort mittlerweile heimisch. Weil inzwischen eine ganze Reihe von Rheinauen zurückgewonnen wurden, gibt es viele neue Laichgebiete für Fische, aber auch Rastplätze für Zugvögel.
Nun hat die EU die NRW-Landesregierung aufgefordert, von Bad Honnef bis zur niederländischen Grenze neue Naturschutzgebiete auszuweisen. Was sagt da der Angler?
Generell ist Naturschutz natürlich positiv. Aber manchmal kann man dabei auch übers Ziel hinaus schießen. Oft denken die Leute, die sich im Naturschutz engagieren, dass mit dem Aufstellen eines Schildes oder dem Errichten eines Zaunes alles getan ist. Aber wenn keiner das Gebiet betreten darf, gibt es auch keine Kontrolle. Wenn etwa Angler am Wasser sind, kann niemand heimlich Müll abladen. Angler haben ja ein Interesse daran, die Gewässer zu schützen, weil sie ohne gesundes Gewässer ihrem Hobby nicht nachgehen können. Angler sind deshalb auch Naturschützer. Wir hegen und pflegen unsere Gewässer.
Wenn der Rhein komplett zum Naturschutzgebiet erklärt würde, wäre das für die Angler eine Einschränkung?
Natürlich. Allerdings hängt es vom Ausmaß der Naturschutzauflagen ab. Wenn da ein riesengroßer Zaun gezogen wird und keiner mehr das Gewässerbetretungsrecht hat, darf keiner mehr ans Wasser. Auch die Angler nicht. Wenn der Naturschutz allerdings nur so weit geht, dass man weiterhin bestimmte Nutzungen zulässt, wäre es für uns in Ordnung. Kompletter Naturschutz hieße ja auch, dass kein einziges Schiff mehr auf dem Rhein fahren dürfte. Der Rhein als Wasserstraße und Handelsverbindung wäre dann auch betroffen. Und denken Sie an den Tourismus. Gerade am Niederrhein sind in den letzten Jahren viele neue Rad- und Wanderwege am Fluss entlang entstanden. Die dürfte dann auch keiner mehr benutzen, jede Menge Geld wäre umsonst ausgegeben worden. Man würde die Erholung Suchenden aus der Natur verbannen. Das kann nicht Ziel des Naturschutzes sein. Das wäre eine viel zu krasse Form des Schutzes: Zaun drum und weggesperrt. Ein Kompromiss wäre, nur bestimmte Gebiete als Schutzzonen auszuweisen. Aber das hat man ja am Rhein bereits getan. Deswegen sind die Forderungen der EU nicht ganz einsichtig.
Sowohl der Angelsport als auch eine vernünftige Form von Tourismus sind in Ihren Augen also durchaus vereinbar mit Naturschutz?
Genau. Denn die Sensibilisierung für die Natur findet ja vor Ort statt. Nur was man kennt, kann man auch schützen.
Ist der Vorstoß der EU in den Angelsportverbänden diskutiert wurden?
Ja. Allerdings kann ich nur für die Niederlande sprechen. Da ich hier lebe, bin ich auch in einem hiesigen Anglerverband Mitglied. Und der hat zum Thema Naturschutz am Rhein eine klare Position. Die Rechte der Angler sollen möglichst nicht beschnitten werden. In den Niederlanden wird das allerdings anders gehandhabt. Hier ist es so, dass die Angler das Gewässernutzungsrecht trotz Naturschutz weiterhin behalten dürfen. Strengere Auflagen gibt es aber, wenn zum Beispiel ein Yachthafen vergrößert werden soll. Auch Wasserskifahrern kann der Zugang verwehrt werden. Angler und Spaziergänger dürfen sich weiterhin am Wasser aufhalten.
Die Naturschutzforderung der EU ist in Deutschland vor allem bei der Wirtschaft auf Protest gestoßen. Wie beurteilen Sie den Konflikt zwischen Naturschutz und Wirtschaft?
Auch im Angelsport wird ja Geld verdient. Wenn niemand mehr am Rhein angeln dürfte, würden das nicht nur die kleinen Angelbedarfsläden, sondern auch die Großhändler spüren. Das hätte durchaus wirtschaftliche Konsequenzen. Aus der Sicht des Transportwesens natürlich auch. Da müssten ja ganze Häfen dicht machen! Schiffe fahren ja schon seit Jahrhunderten auf dem Rhein. Die Uhr lässt sich nunmal nicht zurückdrehen. Wenn man auf die Rheinschifffahrt verzichten wollte, müsste man halt wieder mit Holzflößen übers Wasser fahren. Und viele Errungenschaften wie Elektrizität dürfte man auch nicht nutzen. Das ist nicht machbar.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat sich in den Verhandlungen mit der EU um einen Kompromiss bemüht. Lediglich einige bestehende Fischschutzzonen sollen ausgeweitet werden. Welche Konsequenzen hätte das für die Angler?
In den Schutzzonen angeln wir selbstverständlich nicht. Hier laichen die Fische, und Laichzeiten sind Schonzeiten. Da fangen wir die Fische eh nicht. Das ist der Fischkindergarten und der ist tabu. Wenn man diese Zonen nun also ausweitet und damit den Wasserzugang einschränkt, wird uns das auch betreffen. Es sei denn, man würde Gebiete, die sich als Fischschutzzonen eignen, zusätzlich schaffen, indem man zum Beispiel Weideland aufgibt, überfluten lässt und so Laichgebiete und potenzielle Schutzzonen schafft. Das würde uns Angler nicht einschränken, weil wir da vorher auch nicht gefischt haben. Ich bin also dafür, statt bestehende Flächen auszuweiten lieber zusätzliche auszuweisen. Aber, wie gesagt, im Grunde ist der Rhein momentan schon sehr gut geschützt.
Sie haben aus dem Hobby inzwischen einen Beruf gemacht, sind Fachbuchautor und haben einen Job in der Angelsportbranche. Findet man sie trotzdem noch am Wasser?
So oft es geht. Zum Glück ist meine Frau ebenso angelverrückt.
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