: Mit der Kältemaschine durch den Sommer
EIS Früher wurde der Gletscherschnee noch persönlich geliefert, seit ein paar Jahren offerieren in den Kiezen die Eisdealer Angebote in unerwarteten Geschmackskombinationen – von bio bis vegan. Außerdem wird noch ein 90. Geburtstag mit Stiel begangen
■ Die Eisbüfee und der Waffler: Kollwitzstraße 23, Prenzlauer Berg, U-Bhf. Senefelder Platz, April bis Oktober tgl. 10–19 Uhr, bei Dauerregen geschl., www.eisbuefeeundwaffler.de
■ Vanille & Marille Eismanufaktur: Hagelberger Str. 1, Kreuzberg, tgl. 11.30–23 Uhr; Filialen in Schönberg, Steglitz und Tempelhof; www.vanille-marille.de
■ Fräulein Frost: Friedelstr. Neukölln. Mo.–Fr. ab 13 Uhr, Sa./So. ab 12 Uhr; www.facebook.com/pages/Fräulein-Frost/
■ Florida Eiscafé: Klosterstraße 15, Spandau, tgl. 12–23 Uhr; Filialen: Altstädter Ring 1, Spandau; Alt-Tegel 8 und 28, Reinickendorf; www.floridaeis.de
■ 1. Berliner BioEisDiele: Reichenberger Str. 104, Kreuzberg, tgl. 11–19 Uhr; Südostallee 169, Treptow, Sa./So. 11–19 Uhr; www.bioeisdiele.de
■ Café am Teutoburger Platz: Zionskirchstr. 75, Mitte, tgl. 9–19 Uhr, Sa./So. 10–19 Uhr, www.cafe-am-teutoburger-platz.com (ve)
Der Frühling setzt sich langsam durch, der Sommer bringt hoffentlich noch mehr Sonnentage. Aber auch wenn es wieder kühler werden sollte: Kälte kann süß und eine Wonne sein. Egal, wie das Wetter ist, Eis beflügelt die Sinne. Zumindest die Kreativität der Inhaberinnen und Inhaber von Berliner Eisdielen und Eiscafés. Sie nennen sich Eispirat, Fräulein Frost, Sweet2go, Eismarie, Kalter Krieg, Eislabor, Miss Zucker, Eiskimo oder traditioneller Florida Eiscafé, Eismanufaktur Berlin, Eiscafé Isabela … Die Fantasie kennt keine Grenzen bei dem Ding an sich: dem Eis.
Um das haben sich schon Chinesen im antiken China bemüht: Sie stellten es aus Gletscherschnee mit Früchten, Honig oder Rosenwasser her. Die römischen Kaiser ließen sich durch Schnellläufer Schnee und Eis von den Apenninen zur Herstellung bringen. Ein deutschsprachiges Kochbuch von Anna Wecker, „Ein köstlich new Kochbuch von allerhand Speisen“ von 1597, beschrieb erstmals ein Rezept für eisgekühlten Milchrahm, die Vorstufe von Milcheis. Eis machte seither eine steile Karriere. Zunächst als kulinarischer Luxus wurde es in alle Kontinente exportiert, als teure und seltene Köstlichkeit für einige wenige, die es sich leisten konnten.
1843 erfand Nancy Johnson die erste Eismaschine, aber erst die Kältemaschine von Carl von Linde verhalf dem Speiseeis zum Durchbruch als Massenware. Ab etwa 1870 verkauften italienische Einwanderer in England Eiscreme auf den Straßen. Wie es sich gehört, als Kugel und in wiederverwendbaren Papphörnchen. Ihr Motto: „Gelati, ecco und poco“ – hier ein bisschen Eis! Und es waren auch die Italiener, die in den 1920er Jahren in Deutschland die ersten Eisdielen eröffneten.
Vor kurzem hat das Eis am Stiel Geburtstag gefeiert und ist 90 Jahre alt geworden. Keine Runzeln, keine Altersschwäche: Rund eine Milliarde werden pro Jahr verkauft – im Supermarkt, an Tankstellen, Kiosken oder in Kinos, Schwimmbädern oder im Zoo. Überall ist Eis griffbereit, da wundert es nicht, dass 2012 über 505 Millionen Liter Speiseeis aus industrieller Herstellung in Deutschland verzehrt wurden. Wir lassen uns pro Kopf rund 7,7 Liter Eis in einem Jahr schmecken, so die Zahlen des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI).
In Berlin ist die Zahl der kühlen Offerten in den vergangenen Jahren enorm gewachsen: In jedem Bezirk stolpert man über besondere Eis-Orte, die mit ausgefallenen Kreationen locken: Ob Sorbets, Frucht- oder Milcheis, ob vegan und Bio, laktose- oder glutenfrei, Froozen Joghurt oder schlichter Eiskaffee. Pünktlich zum Frühlingsanfang und bis in den Herbst hinein tobt der Wettbewerb um die Berliner und die Besucher der sommerlichen Stadt. „Es ist eine Herausforderung, sich in dem saisonalen Gewerbe durchzusetzen“, sagt Sofie Bernau, die 2001 die „1. Berliner BioEisDiele“ in Kreuzberg eröffnet hat. „Aber wer eine gute Eisqualität anbietet und auf neue Nachfragen reagiert, der ist erfolgreich.“ Die BioEisDiele bleibt dabei konsequent: Alle Angebote sind 100 Prozent Demeter, der Fruchtanteil liegt bei 40 Prozent und es gibt keine Pappbecher. „Waffeln bestehen aus Mehl und Wasser, man kann sie essen und vermeidet Abfall“, so Inhaberin Bernau. Renner in diesem Sommer neben den 12 Eissorten: vegane, fruchtige Reismilchshakes, Eis-Yogi mit Yogi-Tee, Vanilleeis und Sahne-Zimt. Vor allem: Auf jegliche Streusel wird verzichtet. „Unser Eis ist ganz pur schon lecker“, meint Sofie Bernau.
„Fräulein Frost“, alias Charlotte Pauly und Carsten Andörfer gehen in diesem Jahr mit ihrer Eisdiele in Berlin-Neukölln in die fünfte Saison mit ihrem beliebten GurkeZitroneMinze-Eis. Aber in der Eisküche wird jedes Frühjahr wieder experimentiert zum Beispiel mit Kürbiskern-Vanille oder Banane mit Erdnussbutter und Schokostücken. „Ich koche alle Früchte selbst ein“, erzählt Charlotte Pauly, eigentlich Kostümbildnerin, die nach „intuitiver Marktanalyse“ befand, dass Eis mehr Zukunft für sie habe als das Theater. „Wir hatten einen guten Start hier“, sagt sie, „obwohl in Berlin immer mehr Eisdielen aufmachen, relativiert sich die Konkurrenz.“ Qualität setze sich durch. Aber nicht nur das überzeugt: „Ein Eis ist immer ein kleiner Luxus“, meint Laszlo Lorant, stellvertretender Geschäftsführer von „Vanille & Marille Eismanufaktur“ mit vier Filialen in Berlin. Es sei einfach ein schönes Ritual, mit anderen in der Schlange zu stehen und zu schnattern, auf dem Bürgersteig zu sitzen und zu schlecken. Verkaufsschlager: „Schokolade“, so Lorant. Aber warum nicht mal den Schleckerluxus „Nougat de Montélimar mit Marillen“ oder „Schokolade mit Pflaumenschnaps“ probieren? Irgendwie müssen ja die 7,7 Liter Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr zusammenkommen.