: Die Wärme, die aus der Tiefe kommt
ENERGIEWENDE Geothermie ist umweltfreundlich und nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich. Trotzdem ist ihr Anteil an der Energiegewinnung gering. Das Problem sind die hohen Erschließungskosten. Tiefbohrung im Rahmen der Hamburger Internationalen Bauausstellung (IBA 2013) geplant
Wenn bis Ende Juli die 1.320 Beschäftigten der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde in ihr neues Gebäude unweit des Wilhelmsburger Bahnhofs gezogen sein werden, arbeiten sie nicht nur in einem der energieeffizientesten Bürogebäude der Republik, ihr Arbeitsplatz wird auch zum größten Teil durch Erdwärme beheizt.
Dazu wurden insgesamt 834 Geothermiepfähle in die Gründungspfeiler des Gebäudes gelassen. Die in den Pfählen enthaltene Flüssigkeit erwärmt sich im Winter auf ihrem Weg durch den warmen Untergrund, um dann mittels einer Wärmepumpe ins Gebäude geleitet zu werden. Im Sommer wird das System durch die dann vergleichsweise kühleren Temperaturen im Untergrund zu einer Klimaanlage.
„Geothermie besitzt ein riesiges Potenzial“, sagt Andree Böhling, bei Greenpeace zuständig für die Energiewende, „es wird nur nicht ausgenutzt.“ Laut dem Bundesverband Geothermie ist die Erdwärme schier unerschöpflich. Mit der unter Deutschland gespeicherten Energie könne man 1.000 Jahre lang die Hälfte des jetzigen Strombedarfs decken.
Und sie ist regenerativ und sauber – vorausgesetzt man nutzt sie nachhaltig. Neben der beschriebenen oberflächennahen Geothermie, die im Prinzip für jeden Häuslebauer in Frage kommt, ist vor allem die tiefe Geothermie von Interesse. Je tiefer gebohrt wird, desto heißer wird es. In Deutschland steigt die Temperatur im Schnitt alle 100 Meter um drei Grad. Im Erdkern herrschen Temperaturen von bis zu 6.000 Grad.
Trotzdem ist der Erdkern nur zu 30 Prozent verantwortlich für die hohen Temperaturen der Gesteinsschichten. Die Hitze entsteht vor allem durch den Zerfall natürlicher radioaktiver Elemente in der Erdkruste und im Erdmantel – quasi durch Kernenergie.
Bei den Tiefenbohrungen möchte man vor allem an die Wasser führenden Schichten, die Aquiferen, herankommen. Das an die Oberfläche geförderte heiße Wasser kann entweder direkt in einen Wärmekreislauf gebracht werden, oder mittels Turbinen und Generatoren in Strom umgewandelt werden. Das abgekühlte Wasser – und das ist dann nachhaltige Nutzung – gelangt durch eine Injektionsbohrung dahin zurück, wo es entnommen worden ist. Deutschlandweit gibt es 21 derartiger Anlagen zur Wärme- und sechs Anlagen zur Stromgewinnung. Damit hat die Geothermie gerade mal ein halbes Prozent Anteil am deutschen Endenergieverbrauch.
„Die Vergangenheit dieser Technik war nicht gerade rosig“, sagt Greenpeacemann Böhling. Die Wachstumsraten seien gering, insbesondere im Vergleich zur Solar- oder der Windkrafttechnik. Dabei biete die Geothermie viele Vorteile: „Sie ist unabhängig von Jahreszeiten, Wetter und Tageszeiten“, sagt Böhling. Damit könne sie einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Das Problem seien die hohen Erschließungskosten. Gegenüber den anderen Technologien sei die Geothermie derzeit nicht konkurrenzfähig. Greenpeace fordert von der Bundesregierung ein Erdwärmeanlagen-Ausbau-Programm.
In Hamburg-Wilhelmsburg arbeitet man bereits an der Zukunft. Im Rahmen der gerade stattfindenden Internationalen Bauausstellung wurden schon 2010 die Gesteinsschichten unter der Elbinsel seismisch untersucht. In 3.500 Meter Tiefe stießen die Ingenieure auf 130 Grad heißes förderfähiges Wasser. Nachdem die ursprünglich beteiligten Stadtwerke Flensburg aus dem Projekt ausgestiegen sind, prüft derzeit Hamburg Energie ein Engagement. Die Vision ist ein geothermisches Kraftwerk, das eines Tages mehrere tausend Wilhelmsburger mit Wärme und Strom versorgt.NIELS HOLSTEN