: „Methode ist keine Erfindung des Mossad“
DUBAI-MORD Der Ex-Mossad-Agent Gad Schimron hält die Exekution von Terroristen nur für bedingt effektiv
■ Gad Schimron, 59, war in den 70er- und 80er-Jahren Agent des Mossad. Heute ist er Journalist und Autor des Buches „Mossad Exodus“.
taz: Gibt es keine andere Möglichkeit, als die Pässe von noch lebenden Menschen für so eine Aktion zu missbrauchen?
Gad Schimron: 2010, wo jeder Flughafenbeamte auf einem Datenlager sitzt, das noch nicht einmal einem Edgar Hoover zur Verfügung stand, muss man besser werden und sich dem modernen Zeitalter anpassen. Mit gefälschten Pässen kommt man heute nicht mehr weit.
Überrascht Sie die internationale Aufregung?
Ja, sehr, denn wenn die USA eine Drohne schicken, um einen Taliban in Afganistan zu ermorden, was im Grunde nichts anderes ist, dann interessiert sich kein Mensch dafür.
Wie erklären Sie das?
„Jews are news“, das war immer so, besonders, wenn es um Geheimagenten geht. Es gibt nichts, was wir tun und andere nicht. Wenn Israel hinter dem Attentat steckt, wie berichtet wird, würde ich vermuten, dass es sich um eine Teamarbeit handelt. [Irans Präsident Machmud] Ahmadinedschad und [Hamas-Chef in Gaza] Hanijeh haben es geschafft, eine breite internationale Koalition gegen sich zu erzeugen. Dazu gehören Saudi-Arabien, Ägypten und westliche Staaten. Das Opfer saß vor einigen Jahren in Ägypten im Gefängnis.
Israel exekutiert Terroristen, trotzdem geht der Terror weiter. Ist die Methode nicht überholt?
Ich glaube nicht, dass sie sehr effektiv ist, aber wenn es gelingt, der Schlange den Kopf abzuschlagen, dann ist das ein Erfolg. Es gab in der Vergangenheit Fälle, die sich als sinnvoll herausgestellt haben. Ein Beispiel: Fathi Schkaki [Chef des Islamischen Dschihad] in Malta, der Berichten zufolge 1995 vom Mossad exekutiert worden sein soll. Sein Tod hat den Islamischen Dschihad auf vier bis fünf Jahre lahmgelegt. Aber es gibt andere Fälle, die sich rückblickend als kontraproduktiv herausstellten. Die Antwort lautet also: Ja und nein. Die Methode ist im Übrigen keine Erfindung des Mossad. Man vergisst das, aber Frankreich hat in den 50er-Jahren während des Algerienkrieges in Europa wenigstens hundert Waffenhändler exekutiert. Ob es effektiv ist oder nicht, weiß ich nicht. Es ist Teil des Krieges.
Die Debatte dreht sich in Israel nicht um das „Ob“, sondern das „Wie“. Halten Sie es für möglich, dass der Mossad einen so banalen Fehler beging und die Kameras nicht beachtete?
Ich habe eine Theorie gehört, weiß aber nicht, ob sie stimmt. Demnach wussten die Agenten von den Kameras und benutzten sie, um zu beweisen, wie tief der Mossad in die Hamas eindringen kann und wie sehr sie aus israelischer Sicht einem Schweizer Käse gleicht: voller Löcher.
Halten Sie das für möglich?
Die Polizei in Dubai hat einen Monat nach dem Mord an Hamas-Funktionär Mahmud al-Mabhuh 15 weitere Verdächtige identifiziert. Damit stehen nun insgesamt 26 Menschen im Verdacht, an dem Komplott beteiligt gewesen zu sein – 20 Männer und 6 Frauen.
■ Die meisten von ihnen reisten den Angaben zufolge mit europäischen Pässen ein. Zwölf Verdächtige trugen Papiere aus Großbritannien bei sich. Sechs Pässe stammten aus Irland, vier aus Frankreich, einer aus Deutschland und drei aus Australien. Die Einreise soll über die Flughäfen Düsseldorf, Frankfurt, Zürich, Rom, Paris, Mailand und Hongkong erfolgt sein. (dpa)
Ich glaube eher, dass sie nicht mit der Hartnäckigkeit der Dubaier Polizei gerechnet haben, die die Affäre so gründlich untersucht. Übrigens stammt ein Teil der Kameras von israelischen Firmen. Aber das ist nur ein Absurdum am Rande. Es ist sicher, dass sie [der Mossad] mit einer derartigen Bloßstellung nicht gerechnet haben. Und sie haben nicht gedacht, dass es so einen Lärm auslösen würde. Wir wissen schließlich alle, dass Mabhuh nicht als Vertreter des palästinensischen Erziehungssystems in Dubai unterwegs war und den Auftrag hatte, neue Computer für die Schulen zu besorgen.
Glauben Sie, dass der Mossad bei Meir Dagan in guten Händen ist?
Seit Dagan Chef ist, gab es, den Berichten zufolge, große Erfolge. Aber seine Amtszeit läuft in diesem Jahr aus. Acht Jahre sind für so einen Posten schon zu lang. INTERVIEW: SUSANNE KNAUL