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Archiv-Artikel

„Amnesie überzeugt nicht“

Der Grüne Exumweltminister Jürgen Trittin will nicht Schuld am Rücktritt des Umweltpolitikers Reinhard Loske sein und verteidigt sein Gesetz zum Atom-Endlager

taz: Herr Trittin, muss man sich als Ökologe bei den Grünen jetzt einsam fühlen?

Jürgen Trittin: Ich fühle mich nicht einsam. Und dass ich ein überzeugter, durchsetzungsfähiger Ökologe bin, wird mir niemand ernsthaft absprechen.

Mit dieser Begründung hat aber Reinhard Loske, bis Dienstag Vizefraktionschef wie Sie, alle seine Ämter hingeworfen. Er sagt, Sie wollten im Streit um ein Atommüll-Endlager bloß Ihr Erbe als Minister hüten.

Das kann man immer behaupten. Ich habe aber überhaupt keinen Anlass, meinen Gesetzentwurf zur Endlagerung schlecht zu finden. Dieser Gesetzentwurf war kein Kompromiss mit der SPD oder mit der Industrie, sondern nur ein Kompromiss mit der Wirklichkeit – dazu gehört auch das Grundgesetz. Und er war so grün, dass ich vor der NRW-Wahl im Mai 2005 von allen Seiten gedrängt wurde, ihn zurückzuhalten, um Krach mit der SPD zu vermeiden. Seither hat dieser Entwurf Eingang ins Wahlprogramm gefunden und wurde auf Parteitagen einmütig bestätigt – auch von Reinhard Loske. Amnesie ist nicht überzeugend.

Auch die Umweltverbände sind bestürzt. Sie stehen hinter Herrn Loske.

Andere Verbände haben das alte Umweltministerium kritisiert, weil es dieses Gesetz noch nicht durchgesetzt hat. Die Rolle der Umweltverbände und die Rolle der Fraktion sind aber verschieden. Die Verbände wünschen sich das eine, aber eine Fraktion muss das verfassungsrechtlich Durchsetzbare im Blick haben. Und deshalb hat sich die Mehrheit der Fraktion am Dienstag für mein Gesetz entschieden.

Andere vermuten, Sie hätten Loske und seinen Arbeitskreis Umwelt scheitern lassen, weil Sie im Herbst Parteichef werden wollten.

Man kann in der Politik keine Position inhaltlich einnehmen, ohne dass das persönlich gedeutet wird. Aber in diesem Fall ist das Blödsinn. Was sollte es mir bringen, mich mit den Umweltverbänden anzulegen?

Hätten die beiden Fraktionschefs Kuhn und Künast die Abstimmung besser verschoben, um den Eklat zu vermeiden?

Wir konnten die Abstimmung eigentlich nicht noch einmal verschieben – das wollte Reinhard Loske schon gar nicht. Denn das Urteil zum Schacht Konrad liegt vor, und Umweltminister Sigmar Gabriel muss jetzt etwas zum Endlager unternehmen. Dazu mussten wir uns positionieren. Das hat nach monatelangen Debatten auch die Fraktionsführung so gesehen.

Jetzt haben sich die Grünen schon wieder geschadet: Mit Loske geht ein sehr profilierter Umweltpolitiker, der bittere Vorwürfe verbreitet.

Loske ist einer unserer wenigen Generalisten im Umweltbereich, und sein Verlust ist schmerzhaft. Aber das ändert nichts daran, dass eine wirkungsvolle Opposition nur so funktioniert, dass man eine Regierung mit präzisen, ausgefeilten Gesetzentwürfen in Verlegenheit bringt – und nicht mit einem unverbindlichen Antrag. Das war das einstimmige Votum des grünen Parteitags von Oldenburg. Diesen Basisauftrag setzt die Fraktion nun um.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN