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Archiv-Artikel

Naturschützer willkommen

Öko-Verbände „besuchen“ die zur Auflösung verdammte Umweltbehörde. Mitarbeitende teilen die Befürchtung, Umweltschutz werde geschwächt. Behördenspitze will „Neuordnung“ bis Mai umsetzen

Die Besucher kamen ungebeten – und wurden dennoch wärmstens empfangen. Knapp 100 AktivistInnen von mehreren Umweltverbänden statteten gestern Vormittag der Umweltbehörde eine unangekündigte Visite ab. An die BehördenmitarbeiterInnen verteilten sie Ziegelsteine für den Neuaufbau einer „starken, eigenständigen Umweltbehörde“ und protestierten damit gegen die aus ihrer Sicht drohende „Zerschlagung“ des Amtes.

Die federführend vom Naturschutzbund (NABU) und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) organisierte Behördenbegehung wurde von 19 weiteren Hamburger Umweltorganisationen zum Teil tatkräftig unterstützt. Sie zielt auf die geplante Umstrukturierung der Behörde, die bis Ende April abgeschlossen werden soll.

Danach sollen zahlreiche Abteilungen der Behörde, die bereits seit 2004 dem CDU-Stadtentwicklungssenator Michael Freytag unterstellt ist, ausgegliedert, entmachtet oder an andere Ämter angeschlossen werden. Zudem soll Staatssekretärin Herlind Gundelach (CDU) in Zukunft nicht nur für die Umweltpolitik hauptzuständig sein, sondern auch für die Entwicklung der „Wachsenden Stadt“, die den Bestand noch existierender Grün- und Naturflächen gefährden dürfte.

Hierin sehen die Naturschutzverbände nicht nur einen Interessenkonflikt, der im Zweifel zugunsten der Ökonomie aufgelöst werde. Sie befürchten auch, dass die Konflikte zwischen Naturerhalt und Stadtwachstum durch diese Personalunion „nicht mehr diskutiert und ausgetragen werden können“.

Dabei steht die gesamte Umstrukturierungsdebatte unter einem eisernen Spardiktat: Nachdem in Hamburg Berechnungen von SPD und GAL zufolge die Geldmittel für die Umweltpolitik bereits im vergangenen Jahr um 20 Prozent gekürzt wurden, soll die Neugliederung noch einmal eine zusätzliche „Sparrate“ von 25 Prozent erbringen.

Wie wenig die betroffenen MitarbeiterInnen der Behörde von der ihnen aufoktroyierten Umstrukturierung halten, wurde während der Protestaktion der Naturschützer deutlich: Die DemonstrantInnen wurden in den Amtsstuben freundlich begrüßt, allerorts versicherte man ihnen, „dass niemand hier außer der Amtsleitung glaubt“, diese Pläne würden „den Umweltschutz in Hamburg stärken“. Die einhellige Reaktion der zahlreich angetroffenen Bediensteten machte klar: Die Pläne werden von der Behördenspitze um Stadtentwicklungssenator Freytag und Staatsrätin Gundelach gegen den Willen und den fachlichen Rat nahezu ihrer gesamten Mitarbeiterschaft durchgesetzt.

Gundelach verteidigte die Pläne gegenüber den „Besuchern“ noch einmal und kündigte an, sie bis zum 1. Mai umsetzen zu wollen. Durch die Umstrukturierungen werde bei allen Bauvorhaben der „Umweltschutz in Zukunft von vornherein in die Planungen mit einbezogen“. Je „früher ökologische Fragen in den Planungsprozess mit einbezogen werden, umso bessere Ergebnisse gibt es“, versprach Gundelach. Ob diese Ergebnisse besser für die Wirtschaft oder besser für die Natur sind, darüber ließ sich die Staatsrätin nicht aus.

Für die Naturschutzverbände war die Stippvisite an der Billstraße, die symbolträchtig um fünf vor zwölf endete, nur der Auftakt für eine ganze Aktionsreihe. Am kommenden Freitag wollen sie dem Wandsbeker Bezirksamt einen Besuch abstatten, später dann Stadtentwicklungssenator Michael Freytag in seinem Amtssitz aufsuchen. Ihr Urteil über die Behördenspitze steht dabei heute schon fest: Staatsrätin Herlind Gundelach sei zu einer „Insolvenzverwalterin des Hamburger Naturschutzes“ geworden, ihr Chef ein „schwarzer Freytag für die Umwelt“. MARCO CARINI