wahl, beteiligung etc. : Aus dem Land des Negativrekords
Laut demografischer Lage gehen in Sachsen-Anhalt demnächst die Lichter aus. Dass sich die Dagebliebenen auch nicht unbedingt mit ihrem Heimatbundesland identifizieren, zeigten am Sonntag die Negativrekorde bei der Landtagswahl. Allein aus Magdeburg sind seit der Wende 60.000 Menschen weggezogen. Hätten sie alle noch mitwählen sollen, wäre die Wahlbeteiligung wohl noch niedriger ausgefallen.
Nun haben sie sich in Magdeburg ja gerade etwas ganz Besonderes ausgedacht, um die Weggegangenen zur Rückkehr zu bewegen: die Heimatschachtel. Harald Schmidt dachte bei ostdeutscher Heimatschachtel natürlich gleich an Carmen Nebel. Aber es handelt sich wirklich um eine Pappschachtel im DIN-A4-Format, in der sich regionale Geschenke befinden. Die Bitte, mir so etwas zuzuschicken, wurde leider abgelehnt. Die sei nicht für die Presse, sondern für Leute, die ernsthaft an eine Rückkehr dächten. Da half auch gar nicht, dass ich sagte, ich brauchte diese Heimatschachtel, um einen Selbstversuch zu machen. Schließlich habe ich 18 Jahre in Magdeburg verbracht, jetzt könnte ich ja vielleicht mal an Rückkehr denken. Ich brauchte nur einen klitzekleinen Anstoß, Theaterkarten, Pralinen und ein Heimatmagnet für den Kühlschrank wären gar nicht schlecht. Auch wenn ich nicht mehr zur Zielgruppe der 18- bis 30-Jährigen gehöre, bin ich doch gut ausgebildet worden in der Fremde und habe sogar ein Kind, das ich mitbringen würde. Vielleicht hätte ich sogar mitgewählt.
Man hat mir wohl angehört, dass mich das Angebot einer Online-Ausgabe der Magdeburger Volksstimme und drei Scheiben Burger Knäckebrot nicht überzeugen können. Dennoch: Wenn mögliche Wählerinnen und Wähler ähnlich lieblos behandelt werden wie mögliche Heimatschachtel-Interessenten, ist die Wahlbeteiligung kein Wunder. Es fehlt auch ein Begrüßungsgutschein des Arbeitsamtes. Ich bin dann der Empfehlung der Pressebeauftragten gefolgt und habe mir die Bilder der Heimatschachtel angeschaut. Sie sehen aus wie die, die Verkäufer bei eBay ins Netz stellen. Heimatschachtel. Aktuelles Gebot 1 Euro. Artikelstandort: Magdeburg. Das Einzige, was einen Anflug von Nostalgie hervorrief, war der Hintergrund. Dreißig Meter tiefer hatte ich meine Kindheit verbracht, ehe der Fußballplatz neben unserem Haus dem Bau eines Hochhauses weichen musste.
Aber warum ausgerechnet drei Bände „Magdeburger Mord(s)geschichten“ in das Paket gelegt wurden, bleibt ein Rätsel.
ANNETT GRÖSCHNER