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Archiv-Artikel

Wohnungen statt „Santa Fu“

JUSTIZ Mehrheit in Bezirksversammlung Nord plädiert für Wohnungsbau auf dem günstig gelegenen Gelände. Senat will stattdessen Glasmoor schließen

Hamburgs Knäste

Die Stadt verfügt über drei Justizvollzugsanstalten (JVA) und eine sozialtherapeutische Anstalt. Im Juli 2009 waren von den mehr als 2.850 Haftplätzen 923 frei.

■ Die JVA Billwerder, das neueste Gefängnis, hat 803 Plätze. Im März 2009 waren 566 davon belegt.

■ Die JVA Fuhlsbüttel verfügt über 710 Plätze, einschließlich der Abschiebehaft. Davon waren 397 belegt.

■ In der JVA Glasmoor gibt es 209 Plätze, 186 waren belegt.

■ Die sozialtherapeutische Anstalt bietet 207 Therapieplätze, 145 waren belegt.

Das Gefängnis Fuhlsbüttel soll geschlossen werden. Einen entsprechenden Antrag wollen die SPD, Linke, FDP und die beiden aus der GAL ausgetretenen Nordabgeordneten nächste Woche in der Bezirksversammlung Nord stellen. Anstelle der Haftanstalt „Santa Fu“ solle ein Wohnviertel für 2.000 Menschen errichtet werden. Die drei Fraktionen und die Gruppe haben eine Stimme Mehrheit in der Bezirksversammlung. Ein Beschluss hätte Empfehlungscharakter. Er widerspricht einem Bürgerschaftsbeschluss vom Ende vorigen Jahres, das viel kleinere Gefängnis Glasmoor zu schließen.

Senat und Bürgerschaft müssen sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass die Gefangenenzahlen von 2003 bis 2009 von rund 3.100 auf 1.900 zurückgegangen sind. Dem stehen derzeit 2.850 Haftplätze gegenüber – fast 1.000 zu viel (siehe Kasten). „Wir wollen natürlich auf die sinkenden Gefangenenzahlen reagieren“, sagt Pia Kohorst, die Sprecherin der Justizbehörde. Der Bürgerschaftsbeschluss ermöglicht deshalb einen Architektenwettbewerb, mit dem herausgefunden werden soll, zu welchen Kosten sich das Fuhlsbütteler Gefängnis so umbauen ließe, dass dort künftig neben dem geschlossenen auch offener Strafvollzug praktiziert werden kann.

Zugleich soll das Gefängnis in Glasmoor geschlossen werden, weil es sich nicht für den offenen Vollzug eigne. „Der offene Vollzug muss örtlich an die Stadt angebunden sein“, sagt Kohorst. Von Glasmoor aus brauche man eine Stunde, um in die Stadt zu gelangen.Thomas Domres, Fraktionschef der SPD-Nord, hält einen solchen Weg für zumutbar. Schließlich fahre die U-Bahn bis Norderstedt Mitte. Von dort aus sind es nur ein paar Bushaltestellen bis zu dem Gefängnis.

Die Bezirkspolitiker halten das Fuhlsbütteler Gefängnis für nicht mehr zeitgemäß und angesichts seiner Geschichte für abrisswürdig: Im 19. Jahrhundert war es als Zuchthaus gegründet worden, die Nazis missbrauchten das Gefängnis als Konzentrationslager. SPD, Linke, FDP und Nordabgeordnete wollen daher nur die KZ-Gedenkstätte erhalten.

Aus ihrer Sicht ließe sich der Abriss durch einen Verkauf der Grundstücke für den Wohnungsbau finanzieren. Hier entstünde ein Stadtteil für Familien, der verkehrsgünstig gelegen sei und das örtliche Gewerbe beleben könne.

„Ich sehe keine neuen Fakten“, sagt dagegen Behördensprecherin Kohorst. Eine Prüfung der Varianten ließ den Umbau Fuhlsbüttels als am aussichtsreichsten erscheinen. GERNOT KNÖDLER