: Programmiertes Schulterklopfen für den Präsidenten
SCHIEDSRICHTER Beim heutigen außerordentlichen DFB-Bundestag will Theo Zwanziger Reformen einleiten, Affären beerdigen und sich ein wenig Applaus abholen
FRANKFURT/MAIN taz | Die Affäre zwischen dem Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell und dem Fifa-Referee Michael Kempter sowie ein autarkes Machtsystem von Schiedsrichterboss Volker Roth tragen Schuld daran, dass fast 300 Fußballfunktionäre an diesem Freitag am Frankfurter Flughafen zusammenkommen müssen.
Der Auflauf der Verbandsvertreter dient dazu, dem deutschen Schiedsrichterwesen eine strukturelle, inhaltliche und personelle Neuordnung zu verschaffen – allein zu diesem Zweck wird unter der Regie von DFB-Präsident Theo Zwanziger dessen vierter außerordentlicher Bundestag abgehalten. Wichtigste personelle Konsequenz: Nach Saisonende am 21. Mai geht Roth, 68, Unternehmer aus Salzgitter, in den Ruhestand. Es übernimmt Herbert Fandel, 46, Konzertpianist aus Kyllburg. In der 36-seitigen Beschlussvorlage inklusive der zwölf Anträge auf Satzungsänderungen sind auch dessen „zentrale Leitgedanken“ formuliert. Verlangt wird nach Neutralität, Unabhängigkeit und Transparenz. Schlagworte, die auf die Schwächen der Vergangenheit verweisen.
Fandel steht künftig keinem Schiedsrichterausschuss, sondern einer Schiedsrichterkommission vor, die direkt dem DFB-Präsidium unterstellt wird. Und: Die Betreuung, Bewertung und Besetzung der im Profifußball eingesetzten Unparteiischen wird neu aufgestellt. Von einer breiten Zustimmung für die Reform bei den Referees bei der um 13 Uhr beginnenden Versammlung im Steigenberger Airport Hotel ist auszugehen, gegen 15.30 Uhr sollen sich die 261 stimmberechtigten Delegierten wieder auf den Rückweg machen können. Reisekosten inklusive Spesen trägt der reichste Sportverband der Welt. Immerhin 400.000 Euro kommen da zusammen. Das Geld hätte man sich sparen können, behaupten die Interessenvertreter der Deutschen Fußball-Liga (DFL). „Es gab keine formellen, strategischen und inhaltlichen Gründe für diesen Bundestag“, sagte DFL-Boss Reinhard Rauball bereits nach der Präsidiumssitzung am 12. März, „wir hätten darauf verzichten können.“ Doch der DFB-Vorstand erachtet diesen Aufwand vor allem als notwendig, um „die Basis mitzunehmen“, wie es so oft heißt. Denn für viele der 80.000 Pfeifenmänner ist der ohnehin diffizile Job durch die mediale Schlammschlacht um die Sexaffäre zusätzlich erschwert worden.
Trotzdem ist Zwanzigers Rückhalt in seinem Refugium immer noch immens. Der Jurist aus Altendiez wird sich gewiss an seinen treuen Schulterklopfern laben können. So ist die Versammlung eben auch dazu dienlich, die ausgeprägten Eitelkeiten des 64-Jährigen zu befriedigen, der im Vorfeld so klug war, seine Ankündigungen („Ich werde weniger öffentlich auftreten“) nicht durch einen Interview-Marathon zu konterkarieren. Bei seiner eloquenten Eröffnungsrede wird der DFB-Boss gewiss verkünden, es sei erfolgreich ein Schlussstrich unter den Skandal gezogen worden. Das mag für den Zuständigkeitsbereich seiner Instanzen ja stimmen, aber vor ordentlichen Gerichten gibt es unweigerlich ein längeres Nachspiel. Gleich am Montag erscheint Amerell persönlich vor der Zivilkammer des Augsburger Landesgerichts, um Zwanzigers Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung zu verhandeln, in der dem DFB-Boss untersagt wurde, die Kempter-Amerell-Affäre mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche zu vergleichen. FRANK HELLMANN