Ringen um den Neuanfang

ERDERWÄRMUNG Nach dem Scheitern der UN-Klimaverhandlungen in Kopenhagen müht sich die weltweite Diplomatie um einen Neustart. Große Differenzen beim Treffen in Bonn

AUS BONN SARAH MESSINA

Drei Tage lang haben sich mehr als 2.000 Delegierte und Beobachter aus 190 Ländern in Bonn über den Neuanfang der Weltklimadiplomatie den Kopf zerbrochen. Einig ist man sich nach dem Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen allerdings nur darüber, dass mehr Verhandlungszeit nötig ist, um den Klimazug bis zum nächsten Gipfel am Jahresende in Mexiko wieder auf Kurs zu bringen. Ein genauer Fahrplan fehlt jedoch noch.

In Bonn wollte man eigentlich „nur“ Organisatorisches klären – und stieß auf etliche grundsätzliche Streitpunkte. In Kopenhagen hatte man sich nur auf die „Kenntnisnahme“ des Copenhagen Accords einigen können, einen Minimalkompromiss, der von US-Präsident Obama mit China, Brasilien, Indien und Südafrika ausgehandelt wurde. Das stellt die Klimadiplomatie vor ein Problem: Auf welcher Textbasis soll jetzt eigentlich weiter verhandelt werden?

Das scheint in Bonn nur für eine Partei sonnenklar zu sein: Die USA, die das Kioto-Protokoll nicht ratifiziert haben und es dabei auch belassen wollen, sprechen von Kopenhagen als einem „Meilenstein“ für den internationalen Klimaschutz – und beharren auf dem Copenhagen Accord. Und lassen das scharfe Kritiker der Vereinbarung wie Bolivien offenbar bereits spüren: Amerikanische Medien berichten, die USA wollten Klimagelder nach Kopenhagen nur Ländern zukommen lassen, die auch am Copenhagen Accord „interessiert“ seien. Boliviens Delegationsleiter Pablo Solón bestätigte in Bonn, US-Klimahilfen in Höhe von 3 Millionen US-Dollar seien bereits zurückgezogen worden.

Der unverbindliche Copenhagen Accord wird von 112 Staaten unterstützt und erwähnt zwar das 2-Grad-Ziel, bleibt jedoch insgesamt vage. Viele Entwicklungsländer wollen mit dem „undemokratische Papier“, das über ihre Köpfe hinweg ausgehandelt wurde, nichts zu tun haben.

Weiter verhandelt wird nun jedoch offenbar mit neuen Entwürfen, die von den Vorsitzenden der Verhandlungsgruppen bis zum nächsten Treffen in Bonn im Juni erstellt werden sollen und sämtliche Ergebnisse von Kopenhagen berücksichtigen, berichtet UN-Klimachef Yvo de Boer. Und: „Die weitere Rolle des Copenhagen Accords ist noch immer unklar.“

Erst im Juni wird es wieder an die inhaltliche Diskussion gehen. Das scheint nötig: Aus einem Papier der EU-Kommission geht hervor, dass mit den bislang vorliegenden Klimazielen bis 2020 eine Treibhausgasreduktion von bestenfalls 17 Prozent gegenüber 1990 möglich ist – viel zu wenig, um die Grenze von 2 Grad Erderwärmung einzuhalten. Werden noch mögliche Hintertürchen miteinberechnet, liegt das Ergebnis noch niedriger: 2020 könnte der Ausstoß von Treibhausgas demnach sogar um 2 Prozent über dem Stand von 1990 liegen.