Öffentliche Probe : Clavigo
Ein ruhiges, bürgerliches Dasein mit beschaulichem Auskommen oder ein aufregendes, außergewöhnliches Leben mit machtvollen Aussichten? Die Treue zu einem einfachen Mädchen oder die ruhmreiche Karriere? Unvereinbar gestalten sich diese Lebenskonzepte und zwei Menschen taumeln in die Kluft, die sie trennt: Clavigo und Marie. Mit ihr kommt er nicht nach oben, ohne ihn geht sie zu Grunde, unmöglich wird sein berufliches Glück mit ihrer Liebe. Clavigos Höhenflug muss Maries Fall sein. Total ist die Verwirrung, in die Goethe seine Figuren stürzt, umfassend die Zerrissenheit der Seelen. In einer erfolgsorientierten, hierarchischen Gesellschaft ringt Clavigo um die individuelle Freiheit seines Herzens, schwankt zwischen Macht und Gefühl, Berechnung und Hingabe. In diesem Psychodrama sind alle Protagonisten bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Niemand kann vor sich selbst und seinen Sehnsüchten gerettet werden, am wenigsten Clavigo. Goethe schrieb Clavigo 24-jährig 1774 als poetische Beichte, nachdem er seine Geliebte Friederike Brion sang- und klanglos verlassen hatte: „Dann hab ich ein Trauerspiel gearbeitet, Clavigo, moderne Anekdote, dramatisiert mit möglichster Simplizität und Herzenswahrheit; mein Held – ein unbestimmter, halb groß, halb kleiner Mensch.“Donnerstag, 19 Uhr, Schwankhalle