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Archiv-Artikel

Weniger Wahlkreise, mehr Erststimmen

WAHLRECHT Der Verein „Mehr Demokratie“ will für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein ein neues Wahlverfahren mit weniger Wahlkreisen und mehr Erststimmen. Die Fraktionen sind wenig begeistert

Von EST
„Das neue Wahlrecht wäre eine in der Bundesrepublik einmalige Neuerung“

ROLF SÖRENSEN, MEHR DEMOKRATIE

Eine Stimme für die SPD, eine für die CDU und eine für die Grünen oder doch alles auf eine Karte? Wenn es nach dem Verein „Mehr Demokratie e.V.“ geht, dürfen die Wähler in Schleswig-Holstein künftig drei Erststimmen auf drei Kandidaten verteilen oder auch auf einen Bewerber konzentrieren. „Das wäre eine in der Bundesrepublik einmalige Neuerung“, sagte Rolf Sörensen, Landeschef von „Mehr Demokratie“ in Kiel, der gemeinsam mit seiner Kollegin Claudine Nierth die Idee gestern vorstellte.

Der Verein schlug weiter vor, statt 40 nur noch elf Wahlkreise zu bilden, in denen jeweils vier Abgeordnete direkt gewählt würden. Mit diesem Wahlverfahren solle unter anderem verhindert werden, dass das Wahlergebnis durch Überhangmandate verzerrt wird, wie es zurzeit in Schleswig-Holstein der Fall ist. Die CDU holte 2009 mehr Direktmandate in den Wahlkreisen, als ihr prozentual nach den Zweitstimmen der Landesliste zustehen würden.

Das neue Modell würde verhindern, dass es erneut viel mehr Abgeordnete gibt als laut Verfassung vorgesehen. Kernpunkt des alternativen Modells, das die Sitzverteilung nicht mehr nach dem d’Hondtschen, sondern nach dem Saint-Laguë-Verfahren berechnet, ist eine Verschiebung zu mehr Direktmandaten. Der Verein „Mehr Demokratie“ legte Rechenbeispiele vor, laut denen alle Parteien Vorteile hätten: So könnten beispielsweise FDP, Grüne und Linke, zumindest in ihren Hochburgen, ihre Direktkandidaten leichter durchbringen.

Die Fraktionen des Landtages in Schleswig-Holstein waren wenig begeistert: „Wirres Zeug“, sagte Peter Eichstädt von der SPD. Ihn störe, dass die Parteien nicht mehr allein über ihre Listen entscheiden, wenn die Wähler ihre Stimmen völlig frei verteilen könnten. „Undemokratisch“, nannte der ehemalige Fraktionschef der Grünen im Landtag, Karl-Martin Hentschel, dass die Parlamentsmehrheit nicht die Stimmenmehrheit repräsentiere. Der Bündnis-Grüne Thorsten Fürter findet die Idee „interessant“, verwies aber auf einen eigenen Vorschlag der Fraktion, der seit Monaten „im Innen- und Rechtsausschuss verschleppt“ werde. Silke Hinrichs vom SSW sah „Charme, aber auch Tücken“. Der Vorschlag sei insgesamt zu kompliziert. Werner Kalinka (CDU) sagte, das Wahlrecht werde „mit großem Ernst“ beraten. Immerhin lobte Heinz-Werner Jezewski von der Partei Die Linke die „wichtigen Aspekte direkter Demokratie“. Noch vor dem Sommer soll das Thema Wahlrechtsänderung erneut im Innenausschuss beraten werden. EST