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Archiv-Artikel

Keystone und Koch-Brüder: An Kansas führt kein Weg vorbei

PIPELINE STORYS Von der Keystone XL-Pipeline erhofften sich die betroffenen Landkreise einen Steuersegen. Doch die Politiker in der Landeshauptstadt beschlossen eine Steuerbefreiung. Alle Proteste und alle Gerichtsverfahren liefen ins Leere. Den Reibach macht die TransCanada, den Bürgern bleibt nichts

Entlang der Keystone

■ Der Anlass: US-Präsident Obama will in diesem Jahr entscheiden, ob die Keystone XL-Pipeline gebaut werden darf

■ Die Pipeline: Über 3.462 Kilometer soll Teersandöl aus Kanada in texanische Raffinerien transportiert werden

■ Die Serie: Unsere US-Korrespondentin sucht die Geschichten entlang des Pipelineverlaufs

■ Bereits erschienen: „In grau-roten Cowgirlstiefeln gegen Big Oil“ (03.09.); „Friedenspfeife“ (24.08); „Öl bahnt sich seinen Weg“ (13.08); „Für den Ölexport ist Europa unbedeutend“ (07.08); „Alberta ist ein Ölstaat“ (05.08). Drei weitere Folgen befinden sich derzeit noch in der Pipeline.

AUS MARION, KANSAS, DOROTHEA HAHN

Eine Pipeline bringt Wohlstand und Arbeitsplätze, sagen die Befürworter. Doch die sechs Counties im Bundesstaat Kansas, durch die bereits Ende des vergangenen Jahrzehntes die kleinere Schwester der geplanten Keystone XL verlegt worden ist, machen eine andere Erfahrung: Die Rohre für die Pipeline kamen aus dem Ausland. Die Arbeitskräfte aus anderen Bundesstaaten. Und statt des erwarteten Booms gab es keinen zusätzlichen Cent in den Kassen der ländlichen Gemeinden. Der Grund: Die Gesetzgeber in Topeka haben „TransCanada“ eine Steuerbefreiung für 10 Jahre gewährt.

Auf der Route der geplanten Keystone XL durch Great Plains nach Texas führt kein Weg an Kansas vorbei. Doch die Politiker in Topeka, die im Jahr 2006 das Gesetz zur Steuerbefreiung durchgesetzt haben, sagen zur Begründung: Ohne die Steuerbefreiung wäre „TransCanada“ nicht nach Kansas gekommen.

„Sie hätten also eine Pipeline rund um Kansas herum gebaut, doppelt so viel Geld für den Bau ausgegeben und hätten zusätzlich Steuern gezahlt, wie sie in jedem anderen Bundesstaat anfallen“, witzelt Landrat Daniel Holub bitter. In der Zeit, als in Topeka die Entscheidung über die Steuerbefreiung fiel, saß der 65-jährige Landrat im Marion County oft mit Mitarbeitern von „TransCanada“ am Tisch. Die Pipeline-Vertreter sprachen von ihren Plänen, berichteten von dem Wert ihrer Pipeline und stellten den sechs Counties einen Steuersegen in Aussicht. Auf Grundlage der Zahlen von „TransCanada“ hätte allein der Marion County im ersten Betriebsjahr 2011 rund 1.3 Millionen Steuergelder von „TransCanada“ bekommen „Für uns ist das enorm viel“, sagt Landrat Holub.

Von der Entscheidung in Topeka erfahren die Landräte der sechs Counties erst lange, nachdem sie gefallen ist. Die Steuerbefreiung ist in einem anderen Gesetz versteckt und wird ohne Debatte angenommen. Sie ist „TransCanada“ auf den Leib geschrieben: sie gilt für Pipelines, die über 190 Meilen lang sind, das Keystone-Stück in Kansas ist 192 Meilen lang. Nach Ablauf von zehn Jahren ist der Abschreibungswert nicht mehr relevant.

Als die Entscheidung fällt, ist die heutige US-Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius Governor in Kansas. Aber die Mehrheit der Politiker in Topeka gehört zu derselben Partei wie die Landräte auf der Pipeline-Route. „Wer in Kansas etwas werden will, ist besser Republikaner“, sagt Landrat Holub. Als sie merken, dass die erwarteten Steuermillionen ausbleiben, und ihr Protest verpufft, reichen die Landräte Klage ein. Die Gerichte geben den Politikern recht.

„Da stimmt etwas überhaupt nicht“ sagt Landrat Holub, „warum verzichtet der Bundesstaat Kansas auf 200 Millionen Steuern?“ Während die meisten seiner Kollegen nach dem verlorenen Rechtstreit aufgeben, schreibt er Leserbriefe. Und unterstützt den einzigen Landwirt in Kansas, der gegen seine Enteignung durch „TransCanada“ klagt. Auch der verliert. Jetzt wehrt sich niemand mehr.

Kansas ist ein flaches Land voller Getreidefelder im „Bibelgürtel“ der USA. An den Highways stehen lastwagengroße Plakate mit Aufschriften wie: „Jesus, ich vertraue Dir“ und „Ich bin ein Baby – keine Wahl“. Mehrere Radiosender verlesen rund um die Uhr Bibelstellen. Und die Dörfer sind bis heute „ethnisch“ organisiert und gehen getrennt beten: hier die Mennoniten, dort die schwedischen Lutheraner, dort die tschechischen Katholiken. Aus dem Bundesstaat kommt auch der Republikaner Todd Akin, der im vergangenen Wahlkampf erklärt hat, der Körper einer vergewaltigten Frau mache „das Ding“ zu, um nicht schwanger zu werden.

„Warum verzichtet der Staat Kansas auf 200 Millionen Steuern?“

LANDRAT DANIEL HOLUB

Inmitten der religiös-agrarischen Landschaft liegt die Großstadt Wichita, wo nicht nur Flugzeuge gebaut werden, sondern auch die „Koch Industries“ ihren Hauptsitz hat. Das zweitgrößte Privatunternehmen der USA ist nicht nur groß im Ölgeschäft, sondern auch extrem politisch aktiv. Die Firmeneigner – die Brüder Charles und David Koch – wollen Klimagesetze verhindern. Zu dem Zweck finanzieren sie eine ganze Batterie von konservativen Think-Tanks in Washington, sowie die rechte Tea Party. Sie sind auch die größten einzelnen Geldgeber der Abgeordneten, die im Energieausschuss des Repräsentantenhauses in Washington sitzen. Nach einer Rechnung von „Greenpeace“ haben die Koch-Brüder 50 Millionen Dollar an Skeptiker des Klima-Wandels verteilt.

An der Keystone Pipeline ist Koch-Industries offiziell nicht beteiligt. Aber die Brüder sind schon jetzt der größte Importeur von Öl aus den Teersanden in Kanada in die USA. Sie haben eine große Filiale in Calgary. Und niemand zweifelt daran, dass sie zu den Hauptgewinnern der neuen Pipeline gehören werden.

Kansas der Heimatstaat der Koch-Brüder, empfängt die Keystone nicht nur steuerfrei, sondern auch ohne Aufsichtsbehörde. Außer Texas ist Kansas der einzige Bundesstaat, in dem die Betreiber der bislang 3.360 Kilometer Roh-Öl-Pipelines sich selber kontrollieren dürfen. Sollte Präsident Barack Obama die neue Keystone XL genehmigen erwartet Landrat Daniel Holub, dass „TransCanada“ seine bereits vorhandene Pipeline „doppelt“. Von Landwirten weiß er, dass „TransCanada“ schon bei der Verlegung seiner ersten Pipeline unter manchen Flüssen zwei Rohre in den Boden gelegt hat. Steuern sind auch von der Doppelung nicht zu erwarten.