: Das Gerede von der Teilhabe
SCHWIMMEN WIRD TEURER
Wegen des guten Gefühls, alleiniger Eigentümer der Wasserbetriebe zu sein, geben Senat und Abgeordnetenhaus gerade weit über eine Milliarde Euro aus. Wegen staatlicher Kontrolle über Energie und Stromnetz, die alles auch sozialer machen soll, bewegten sich jüngst Hunderttausende zum Abstimmungslokal. Doch zur gleichen Zeit ist gerade unter staatlichem Dach eine unsoziale Preiserhöhung im Gange, die alles Gerede von Teilhabe karikiert: Die für den 1. Januar vorgestellten neuen Bäder-Eintrittspreise, die teils um fast die Hälfte teurer werden.
Die neuen Tarife lesen sich wie eine Karikatur von Preisen privater Bäder, dabei hatte es erst zum 1. Mai eine Erhöhung gegeben. 5,50 Euro statt schon jetzt zu teure 4,50 Euro soll der normale Eintritt kosten – mehr nimmt noch nicht mal die noble „Welle“ in Zehlendorf. Zwei Erwachsene mit einem Kind sollen nicht wie bislang 8 Euro für eine Familienkarte zahlen, sondern 11,50. Dafür sollen dann zwar gleich fünf Kinder reinkommen, doch wer hat die schon?Und wer hat die Zeit, den angeblich so günstigen 3,50-Euro-Tarif zwischen 10 und 15 Uhr zu nutzen? Wer als Rentner aufs Geld gucken muss, kommt derzeit schon mit dem Früh- oder Spätschwimmertarif für 2,80 Euro für bis zu zwei Stunden besser weg. Doch diesen Rabatt soll es auch nicht mehr geben, statt dessen für 3,50 Euro eine lächerliche 45-Minuten-Variante, was mit Aus- und Anziehen samt zweimal Duschen kaum zum Warmschwimmen reicht. Für viele wird der Anstieg bedeuten, dass sie Bäder nur noch von außen sehen.
Doch wo bleibt hier die Welle der Empörung, wo das soziale Gewissen? Immerhin protestierte die Linkspartei, und auf taz-Anfrage zeigte sich auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh „not amused“. Doch in einer Stadt, die seit längerem ausgiebig über Sinn und Zweck von Verstaatlichung redet, ist das viel zu wenig.
Als der neue Chef der Bäderbetriebe vor Monaten plante, Hallen zu schließen und auf Eventstandorte zu setzen, da gab es zurecht noch Protest. Doch Daseinsvorsorge kann nicht nur heißen, dass es genug Bäder gibt. Der Staat muss für erschwingliche Preise sorgen, damit auch alle schwimmen können. Und er muss akzeptieren, dass das etwas kostet – und zwar viel, viel weniger als jene Milliarden, die gerade bei Wasser, Strom und Gas im Gespräch sind. STEFAN ALBERTI