Die „kleine DDR“ beginnt mit Aufarbeitung ihrer Geschichte

SPD BRANDENBURG Wiedergewählter Matthias Platzeck lobt Gründung der Enquetekommission

Das Fehlen einer Aufarbeitung bringt dem Land den Spitznamen „kleine DDR“ ein

20 Jahre hat es gedauert, bis sich Brandenburg durchringt, sich mit seiner DDR-Geschichte auseinanderzusetzen. Diese beiden Jahrzehnte waren auch Thema auf dem SPD-Landesparteitag am Wochenende, auf dem Ministerpräsident Matthias Platzeck in seinem Amt als Landesvorsitzender bestätigt wurde. Manfred Stolpe (SPD) nutzte die Gelegenheit, sein politisches Lebenswerk zu verteidigen. Platzeck begrüßte die Gründung einer Enquetekommission, die durchleuchten soll, wie das Bundesland in den vergangenen 20 Jahren mit seiner Vergangenheit umgegangen ist.

In den 90er Jahren waren heftige Debatten über die Stasikontakte des damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe entbrannt. Dass es keine Vergangenheitsaufarbeitung gab, brachte dem Bundesland den Titel „kleine DDR“ ein. Nach der Landtagswahl 2009 wurden in der neuen rot-roten Regierungsriege immer mehr ehemalige Stasimitarbeiter enttarnt. Zur Landtagswahl war die Linke mit Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser angetreten, die früher als „IM Kathrin“ für die Stasi tätig war. Erst unter Druck entschließt sich das Land – als letztes der neuen Bundesländer –, eine Stasi-Beauftragte einzusetzen. Im März trat die ehemalige DDR-Oppositionelle Ulrike Poppe das Amt an.

Selbstkritisch räumte SPD-Chef Platzeck nach seiner Wiederwahl am Samstag Defizite in der Aufarbeitung der Vergangenheit ein. Ein Fehler sei es gewesen, die Diskussion nach der Auseinandersetzung über die Stasikontakte seines Vorgängers Stolpes nicht fortgesetzt zu haben. Gleichzeitig warnte er die Opposition davor, die Aufarbeitung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, um „kurzfristig politische Knalleffekte zu erzielen“. Er würdigte seinen Amtsvorgänger Stolpe als „Gründervater“ Brandenburgs, der dem Land eine Identität gegeben habe.

In einer halbstündigen Rede rechtfertige Stolpe seine politische Tätigkeit. Er habe versucht, Gespräche zu fördern und Zuspitzungen zu verhindern, sagte der 74-jährige, schwer an Krebs erkrankte SPD-Ehrenvorsitzende. Die Ostdeutschen hätten allen Grund, stolz auf ihre Leistungen und ihren Beitrag zur deutschen Einheit zu sein. Vor einigen Monaten hatte Stolpe jedoch eigene Versäumnisse bei der Aufarbeitung der Stasivergangenheit während seiner Regierungszeit eingeräumt.

Mit der Stolpe-Ära und seinen Versäumnissen wird sich nun die am Freitag konstituierte Enquetekommission des Landtags beschäftigen. Abgeordnete und Experten sollen durchleuchten, wie dem Bundesland nach 1989 der Übergang von der SED-Diktatur zur Demokratie gelungen sei. Die Kommission ist ein bundesweit einmaliger Versuch und wurde auf Drängen der Opposition gegründet; ihr gehören Vertreter aller fünf Fraktionen und Experten an, die Stasi-Beauftragte berät. (dpa, taz)