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Archiv-Artikel

Große Einflüsse

AFRIKANISCHER FUSSBALL I Was Afrikaner dem europäischen Fußball geben: Die Schaltzentralen bei Barcelona, dem FC Arsenal oder dem FC Chelsea sind allesamt mit Spielern vom Schwarzen Kontinent besetzt. Sie prägen dort mit ihrer Dynamik maßgeblich das Spiel

Der wichtigste Beitrag des afrikanischen Kontinents zur Entwicklung des Weltfußballs liegt vielmehr in der Dynamik

VON DANIEL THEWELEIT

Es ist ein interessanter Zufall, dass diese erste Weltmeisterschaft in Afrika gleichzeitig die erste WM ist, bei der ein Bundestrainer plant, einen afrikanischstämmigen Spieler mit sehr großer Verantwortung zu betrauen. Sami Khedira, Sohn eines tunesischen Vaters, wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Rolle von Michael Ballack im Mittelfeld übernehmen, und er importiert damit einen Trend des Weltfußballs ins DFB-Team. Jene Position, von der aus inzwischen der Rhythmus eines Spiels bestimmt wird, wo die modernen Strategen spielen, ist mehr und mehr afrikanisch geprägt.

Beim FC Barcelona spielt der Ivorer Yaya Toure diese Rolle, beim FC Chelsea agieren Michael Essien (Ghana) und John Obi Mikel (Nigeria) auf dieser Position, und das defensive Mittelfeld beim FC Arsenal beackert der Kameruner Alexander Song. Zudem befinden sich die Sechserpositionen einiger der besten WM-Teilnehmer ebenfalls fest in der Hand von Spielern mit afrikanischen Vorfahren: Nigel de Jong (Holland), Lassana Diarra (Frankreich), Gilberto Silva (Brasilien), Marcos Senna (Spanien) und bei Deutschland Khedira. Der Deutsche ist nur insofern eine Ausnahme, als er nicht wie die meisten anderen Weltklassesechser schwarz ist. Khedira hat arabische Vorfahren.

Kann es Zufall sein, dass diese Position im Mittelfeld so stark von Afrikanern dominiert wird? „Nein“, sagt Otto Pfister, der viele Jahre in Afrika war und einige der besten Teams des Kontinents trainierte. „Diese Spieler sind mental unglaublich stark, vor allem sind sie aber körperlich extrem robust, dynamisch und trotzdem technisch sehr gut“, meint Pfister. Afrika wird bekanntlich häufig überfrachtet mit Klischees; auch dass Afrikaner verspielt und technisch besonders beflissen seien, gehört in den Kanon dieser unzähligen Stereotype, die oft gar nichts mit der Realität zu tun haben.

Der wichtigste Beitrag des Kontinents zur Entwicklung des Weltfußballs liegt vielmehr in der Dynamik, die die Spieler aus Abidjan, Accra oder Jahounde einbringen. Und das gilt längst nicht nur für die strategisch so wichtige Schaltstelle im defensiven Mittelfeld. Auch in der Offensive ist der wendige Dribbler des Typus Lionel Messi oder Marko Marin sehr selten in Afrika. Weltklasse sind hingegen Typen wie Samuel Eto’o, Emmanuel Adebayor oder Didier Drogba. Beweglich-kraftvolle Spieler mit einer immensen Willenskraft. „Man setzt sich in Afrika auf der Straße, aber auch in den Klubs einfach eher durch, wenn man kraftvoll und dynamisch spielen kann“, sagt der Ghanaer Hans Sarpei. Und dieses Element prägt mittlerweile Europas Spitzenfußball, kaum noch eine große Fußballmannschaft kommt ohne die fußballerische Klasse der Afrikaner aus.

Grundsätzlich deutet allerdings vieles darauf hin, dass der beste Fußball von Teams gespielt wird, in denen sich viele kulturelle Einflüsse mischen. Der andauernde Erfolg der Brasilianer mit ihrer bunten Bevölkerung könnte so erklärt werden, ebenso die Stärke der Franzosen in den vergangenen 25 Jahren. Und spätestens seit der U-21-EM, als die DFB-Elf den Titel dank zahlreicher Spieler mit Migrationshintergrund gewann, profitiert auch Deutschland von den Vorzügen der Internationalität. „Man sagt ja immer, dass Afrikaner eine starke Physis mitbringen und Europäer taktisch gut ausgebildet sind, eine Mischung kann da schon positiv sein für eine Mannschaft“, sagte Dennis Aogo bei der Nachwuchs-EM vor einem Jahr. Aogo, dessen Vater Nigerianer ist, steuert gemeinsam mit Khedira und Jerome Boateng ein paar afrikanische Facetten bei zum deutschen Spiel. Womöglich ist dieser Faktor bei dieser WM noch wertvoller als bei einem Turnier in Europa oder Südamerika.