: Erde, Dorf, Haus und Moor
HIPPEN empfiehlt Unter dem Titel „fiction – fake & fashion“ stellen Studenten der hfk Bremen heute Nacht im Flut-Zelt auf der Breminale ihre Kurzfilme vor
VON WILFRIED HIPPEN
In Loxstedt landet Atommüll in der Biotonne. Ein Haus und seine Bewohner symbolisieren die Situation der Palästinenser. Ein Schauer-Gedicht inspiriert eine Mode-Garnitur. Und die Erde ist nur ein Versuchsobjekt im Labor von außerirdischen Enten. So weit gefächert sind die Inhalte von Kurzfilmen, die in den letzten beiden Semestern von Studenten des Studiengangs Digitale Medien an der Hochschule für Künste Bremen produziert wurden. Einige sind erste Versuche, andere Abschlussarbeiten, und so sind auch die handwerklichen und stilistischen Unterschiede immens. Gemeinsam ist ihnen nur der Ursprung, und dass sie es wert sind, von einem Publikum gesehen zu werden. Und das ist ein Problem. In Deutschland werden an den Kunst- und Filmhochschulen pro Jahr Hunderte von Kurzfilmen gedreht, die kaum öffentlich gezeigt werden.
Deswegen sind Projekte wie x-screen so wichtig, in denen Studentenfilme zu möglichst unterhaltsamen und kontrastreichen Programmen zusammengestellt und außerhalb der Hochschulen vorgeführt werden. So organisierte der Dozent und Gründer der Bremer Fehrfeld Studios Joachim Hofmann schon x-screen Abende in dem Bremer Viertelkino Schauburg, und heute Nacht wird die neuste Auslese der Hochschule auf der Breminale im Zelt „Flut“ präsentiert werden.
Einer der dort aufgeführten Filme verdeutlicht, dass beim Kurzfilm manchmal eine gute Idee reicht. Die Studentin Julia Kemel zeigt in ihrem zu der Themenvorgabe „Weltverbesserer“ gedrehten Video „Loxstedt“ betont konventionelle Aufnahmen von dem kleinen norddeutschen Ort – dazu einige offensichtlich gefälschte Fernsehnachrichten und Interviews mit angeblichen Dorfbewohnern. Spannend wird der Film durch den Kontrast zwischen diesen Allerweltsbildern und der Erzählstimme, die behauptet, die Gemeinde Loxstedt habe sich dazu entschlossen, Atommüll bei sich zu lagern. Durch diese Informationen wirkt plötzlich jede Mülltonne beängstigend. Ein Paradebeispiel dafür, wie Bild- und Tonebene einander beeinflussen.
Handwerklich perfekt ist dagegen die Abschlussarbeit „House“ von Ahmad Saleh. Dieser im Stop-Motion Verfahren animierte Trickfilm erzählt die Parabel vom Haus, in dem sich neu Eingezogene langsam immer mehr ausbreiten, bis der eigentliche Besitzer mit Stacheldraht auf dem Dach gefangen ist. Natürlich wird hier von den Palästinensern in Israel erzählt, und natürlich ist der Film parteiisch. Aber das Gleichnis wird durch Details wie einem kranken Orangenbaum lebendig, und die minimalistische Animation ist so stilsicher und atmosphärisch, dass eine intensive, eher wehmütige als kämpferische Stimmung vermittelt wird.
Eine verblüffende Mischung aus Modenschau, Literatur und Film bietet „Der Knabe im Moor“ von Hendrik Röhrs und Tobias Hentze, dessen Ausgangsmaterial eine Modekollektion von Anette Kölling bildete, die nun wiederum auf Figuren und Stimmungen aus dem gleichnamigen Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff basiert. Diese an das 19. Jahrhundert erinnernden Kleidungstücke tragen Darsteller, die in einer Wald- und Moorlandschaft so atmosphärisch und poetisch aufgenommen und behutsam in der digitalen Postproduktion verfremdet wurden, dass der Film ein märchenhaft dunkles Schillern bekommt. Technisch ähnlich souverän haben Kevin Gledhill und Thomas Kunz mit „Evolutionary“ eine Computeranimation gebastelt, die im Stil eines Science-Fiction-Comics mit den Größendimensionen spielt. Im Weltall stößt ein Fahrrad gegen einen Planeten, die Satelliten der Erde werden mit einer Fliegenklatsche erledigt.