: Kenias Parlament wird Selbstbedienungsladen
DIÄTEN Abgeordnete wollen Bezüge um fast 50 Prozent erhöhen. Es droht eine Regierungskrise
NAIROBI taz | Nach einem Beschluss des Parlaments, die Abgeordnetenbezüge um fast 50 Prozent zu erhöhen, droht in Kenia eine Regierungskrise. Präsident Mwai Kibaki hat für Dienstag zu einer außerordentlichen Kabinettssitzung geladen. Zwar ist die Regierung gegen die saftige Erhöhung. Doch einige Abgeordnete haben bereits durchblicken lassen, dass sie dringende Gesetzesvorhaben blockieren werden, wenn ihrem Wunsch nicht entsprochen wird.
Das kenianische Parlament ist für seine Selbstbedienungsmentalität berüchtigt. Doch diesmal sind die Abgeordneten selbst den politikverdrossenen Kenianern zu weit gegangen. Weil die Abgeordneten unter öffentlichem Druck der Besteuerung ihrer Bezüge zustimmen mussten, beschlossen sie kurzerhand eine Erhöhung von umgerechnet 8.075 auf 11.766 Euro und ignorierten dabei die Empfehlungen einer Diätenkommission, die eine moderatere Erhöhung gefordert hatte.
„Das ist nichts anderes als ungestrafter Diebstahl“, regt sich Priscilla Nyokabi, Sprecherin eines Bündnisses von Nichtregierungsgruppen, auf. Nyokabi und ihre Mitstreiter drohen mit Massendemonstrationen, sollte die Erhöhung beschlossen werden. „Die Reichen kriegen immer mehr, und wir immer weniger“, klagt auch Milton Ogange, der als Fahrer 100 Euro im Monat verdient und davon seine Frau und seine beiden Kinder mitfinanzieren muss. Ogange hat dabei noch Glück: Der Mindestlohn liegt gerade einmal bei 60 Euro in der Stadt und 30 Euro auf dem Land.
Auch im weltweiten Vergleich wären Kenias neue Diäten spitze: in Deutschland etwa verdienen MdBs 7.668 Euro im Monat. Dass sie gierig sind, finden Kenias Abgeordnete dennoch nicht. „Wenn Sie glauben, dass Abgeordnete zu viel verdienen, werden sie doch selbst einer“, pöbelte ein Parlamentarier in Kenias größter Tageszeitung Daily Nation.
Klare Worte kommen von Premierminister Raila Odinga. „Die Diätenerhöhungen setzen ein falsches Zeichen, sie sind weder fair noch sind sie richtig.“ Doch Odinga hat leicht reden. Der Bericht der Diätenkommission setzt auch für ihn neue Bezüge fest, die derzeit nicht zur Debatte stehen. Demnach soll Odinga künftig 31.200 Euro im Monat verdienen – die Hälfte mehr als Bundeskanzlerin Angela Merkel.
MARC ENGELHARDT