Berliner Platte : Fler rappt für Felgen aus Chrom, und Serk stellt der Berliner Härte ein halbwegs entwickeltes politisches Bewusstsein entgegen
Bushidos Prozess wurde Klatschspalten-Futter und Kool Savas gab sein Gesicht gar für die „Du bist Deutschland“-Kampagne. Hiphop aus Berlin hat es geschafft, Pimp- und Battle-Rap aus Berlin fickt den Rest der Republik. Nun ist es an Fler, mit seinem zweiten Album „Trendsetter“ das Geschäft am Laufen zu halten: Dazu fällt ihm gewohnt grobschlächtig vor allem ein, sich zum „Antichrist“, „Gangster“ oder wahlweise „Phänomen“ aufzublasen und den „Homos“ eine besondere Behandlung zukommen zu lassen: „Ich schmier dir Wichse in die Haare.“ Aber Fler weiß, was er tut. Im Song „Breakdance“ läutet er so explizit wie niemand vor ihm die neuen Zeiten ein: Hiphop, das ist nicht mehr die heilige Dreifaltigkeit aus „Graffiti, Rap und Breakdance“, sondern nur noch ein Geschäft und „die einzige Möglichkeit“ für einen Problemkiezbewohner, an die Fleischtröge der Gesellschaft zu gelangen: „Wir rappen nicht für Frieden, sondern für Felgen aus Chrom.“ Eins aber bleibt beim Alten: Authentizität ist alles. Also werden Anrufbeantworter-Nachrichten, Filmdialoge und TV-Schnipsel verwendet, um überzuleiten zwischen den neuesten Nachrichten aus der Unterschicht, wenn auch mit mitunter überraschend reflektierten Tönen: In „Vatermorgana“ macht Fler den Sozialarbeiter und beklagt, dass zu viele in seiner Generation elternlos aufwachsen. Durch ein Duett mit dem Arabesk-Schnulzensänger Muhabbet scheint er alle verbliebenen Nazi-Vorwürfe entkräften zu wollen. Auch musikalisch geht es längst nicht so bollerig zu wie früher, auch wenn wieder die Neue Deutsche Welle zu Ehren kommt: Hatte Fler im gleichnamigen, umstrittenen Song noch Falco gesampelt, zitiert er nun in „Die Schule brennt“ den alten Gassenhauer von Extrabreit.
Der kommerziell momentan so erfolgreichen Berliner Härte stellt Serk mit seinem zweiten Album „Diss mich nich“ ein halbwegs entwickeltes politisches Bewusstsein entgegen: So fragt sich der ehemalige Zivildiener, den seine Mutter als Anton Nachtwey kennt, wann „die Wirtschaft in Deutschland wieder stärker“ wird, und sorgt sich um die „Wirtschaftsverlierer“. In „Ich zähl die dunklen Tage“ versucht er sich als moralfester Mahner und wettert im Reggae-Rhythmus gegen „Kindervergewaltigung“ und „Einsamkeit“. Womöglich ist solches Engagement ja eine Nachwirkung aus seiner Zeit als Sänger der Skate-Punkband Senseless. Aber als Berliner ist man sich wohl auch den Rest der Palette schuldig: „Der Shit ist heiß“, rappt Serk und wähnt sich auf dem „Weg zur Spitze“. „Bitches“ werden flach gelegt, „den Längsten“ hat er sowieso und schließlich ernennt er sich gar zum „Serkules“. Das rituelle Maulheldentum gehört halt zum Geschäft, nur dass es bei Serk immerhin im steten Wechsel mit Storytelling und durchaus sozialkritischen Zeilen stattfindet. So hängt das Ergebnis zwar zwischen allen Stühlen, das Anliegen aber, die ganze Spannbreite von Hiphop aufzuzeigen, ist löblich und seine Reime bisweilen sogar eloquent. Auch die Beats sind guter Standard, der Geist der Neptunes allerdings hat sich vorerst immer noch nicht nach Berlin verirrt. Thomas Winkler