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Archiv-Artikel

„Erinnerungen an die Heimat“

KOCHEN Vier Studenten haben ein Buch mit Rezepten gestaltet, die Flüchtlinge aus ihrer Heimat mitgebracht haben – am Montag bekommen sie für ihr Projekt einen Preis

Ninon Demuth

■ 24, studiert Biotechnologie an der Technischen Universität.

taz: Frau Demuth, Sie haben ein Kochbuch mit Rezepten von Asylbewerbern aus aller Welt gemacht. Was ist die exotischste Zutat?

Ninon Demuth: Wir haben viele exotische Zutaten, vor allem aus Afrika. Was ich gar nicht kannte, waren Garden Eggs. Das sind kleine, gelbliche Auberginen, die ein bisschen süßer schmecken als normale.

Wie kamen Sie darauf, über Essen einen Zugang zu Asylbewerbern zu suchen?

Kochen ist etwas Positives und sehr Persönliches. Beim Kochen überwindet man schnell Hemmschwellen, die man bei der Begegnung mit fremden Menschen sonst hat. Die Flüchtlinge haben mit den Rezepten aus ihrer Heimat ein Stück von sich mitgebracht. Es kommen Erinnerungen daran hoch, wie sie das Gericht in ihrer Heimat gekocht haben.

In Ihrem Buch kann man auch die Geschichten der Flüchtlinge lesen.

Ja. Nasir kommt zum Beispiel aus Nigeria und ist über Lampedusa nach Deutschland gekommen. Er hat einen Großteil seiner Familie in Afrika verloren. Sein Vater liegt im Krankenhaus und er kann ihm nicht helfen. Trotz dieses Schicksals ist Nasir ein positiver Mensch. Er versucht jeden Tag, besser Deutsch zu lernen, er ist einer der Sprecher vom Oranienplatz und setzt sich für andere Flüchtlinge ein. Wir haben zweimal mit ihm gekocht, und das hat so viel Spaß gemacht, weil er so ein Strahlen mitbringt. Im Buch geht es auch um die Kraft dieser Menschen.

War es schwierig, Menschen zu finden, die mitmachen?

Nein, überhaupt nicht. Wir sind zuerst auf den Oranienplatz gegangen, da sind die Menschen sofort auf uns zugekommen. Mit jedem von ihnen haben wir viel Zeit verbracht und gekocht. Aus manchen Begegnungen sind Freundschaften entstanden.

Gab es ein Erlebnis, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Über den Tellerrand

Vier Studenten der Freien und der Technischen Universität haben im Rahmen der Unternehmer-Initiative „Funpreneur“ ein Kochbuch mit Rezepten von Asylbewerbern gestaltet. Die Flüchtlinge erzählen darin auch, wieso sie nach Deutschland gekommen sind. „Über den Tellerrand kochen“ ist Mitte Januar bereits in der zweiten Auflage erschienen und für 15 Euro online zu haben, 2,50 Euro davon gehen an Pro Asyl. Mehr Information auf www.ueberdentellerrandkochen.de.

Die Studenten sind nun auf der Suche nach einem Verlag, zur Erweiterung des Kochbuchs. Am Montag bekommen sie für ihr Projekt einen Preis des bundesweiten Wettbewerbs „Go for social“. (ab)

Einmal habe ich morgens eine syrische Familie im Asylbewerberheim besucht. Die Mutter hat mich zum Frühstück eingeladen und dafür auf dem Boden allerlei Käsesorten aufgestellt. Den Käse hat sie selbst gemacht, indem sie Joghurt durch einen Kissenbezug gepresst und mit Sesam und Gewürzen vermischt hat. Die Kinder und ihr Mann waren auch da. Da habe ich gemerkt, dass die meisten Flüchtlinge keine materiellen Dinge brauchen, sondern vor allem Begegnungen mit anderen Menschen.

Wie haben die Asylbewerber auf Ihr Projekt reagiert?

Fast alle haben gefragt, ob wir uns wiedersehen können, weil sie sich allein fühlen. Sie wollen hier neu anfangen und brauchen dafür jemanden, der zum Beispiel mit ihnen übt, Deutsch zu sprechen. Einer sagte, es habe ihm gefallen, mit diesem Rezept etwas von sich zu geben – dafür, dass er hier leben kann. Arbeiten darf er ja nicht. Deshalb war er über jede Möglichkeit froh, etwas von sich geben zu können.