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Archiv-Artikel

Eine Frage des Vertrauens

Patienten können bei Ärztepfusch den Mediziner wechseln, sagt das Bundessozialgericht. Eine Krankenkasse in Hamburg stellt diesen Grundsatz nun im Fall einer Zahnarztpatientin mit verpfuschten Kronen vor Gericht in Frage

Kann man einem Zahnarzt noch Vertrauen schenken, der völlig unbrauchbare Kronen eingesetzt hat? Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) in Hamburg verlangt dies einer Patientin ab. Vor dem Landessozialgericht versucht die Kasse durchzusetzen, dass die 56-Jährige sich ausgerechnet von dem Zahnarzt neuen Zahnersatz anfertigen lässt, der bei einem ersten Versuch pfuschte und der Patientin viel Schmerz und Ärger bereitete. Sollte die Kasse damit Erfolg haben, droht eine grundsätzliche Änderung der bisherigen bundesweiten Rechtsprechung, laut derer ein Arztwechsel nach missratener Behandlung selbstverständlich möglich ist.

Die Frau aus Hamburg-Rahlstedt hat mehrere neue Kronen bekommen. Diese aber „sitzen nicht, sie sehen nicht aus wie vereinbart, das Zubeißen tut weh, die Kiefer schließen nicht richtig, die Aussprache hat sich verändert“, berichtet Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg. An die hat sich die Patientin gewandt, nachdem sie bei ihrem Zahnarzt im wahrsten Sinne des Wortes auf Granit gebissen hat: Statt die Unbrauchbarkeit der Kronen einzugestehen, hat er noch zweimal versucht, nachzubessern – vergeblich. „Das Problem ist, dass die Kronenränder abstehen“, erklärt die Rechtsanwältin der Patientin, Birgit Lein. Das sei irreparabel. „Die beiden Nachbesserungsversuche waren völlig ungeeignet, den Mangel zu beheben.“

Das erkennt auch die DAK an. Nachdem die Patientin bei ihrer Krankenkasse den Zahnarztwechsel beantragt hat, hat diese sie zu einem Gutachter geschickt. Der hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die Kronen irreparabel sind und der Zahnersatz vollständig neu angefertigt werden muss. Daraufhin schrieb die DAK der Frau, sie solle sich bitte zur „kostenlosen Neuanfertigung“ wieder zu ihrem alten Zahnarzt begeben.

Die war platt. Arztwahl ist Vertrauenssache, das erkennt auch das Bundessozialgericht an. Das hat entschieden, dass Ärzte eine „Dienstleistung höherer Art“ erbringen und der Medizinerwechsel möglich ist, wenn eine Behandlung völlig unbrauchbar und die Weiterführung dem Patienten unzumutbar ist.

Die DAK findet es nun nicht unzumutbar für die Frau aus Hamburg-Rahlstedt, weiterhin zu ihrem alten Zahnarzt zu gehen. Der sei verpflichtet und bereit, seinen Fehler zu korrigieren. Ein zerstörtes Vertrauensverhältnis sei aus der bisherigen Geschichte „nicht ableitbar“, schreibt die Kasse in ihrer Berufungsbegründung.

Mit dieser geht sie gegen ein Urteil des Sozialgerichtes vor, das der Patientin Recht gegeben und dem Zahnarztwechsel zugestimmt hat. Das Sozialgericht hielt der DAK vor, einen Teil ihres Problems selbst verursacht zu haben: Normalerweise zahlt die Krankenkasse für eine Behandlung, wenn diese abgeschlossen ist. Erfolgt davor wegen Vertrauensbruch ein Arztwechsel, ist das für die Kasse kein Kostenproblem, weil sie noch kein Geld ausgegeben hat. In diesem Fall aber hat die DAK dem pfuschenden Zahnarzt den Kostenzuschuss für die Kronen schon überwiesen, obwohl die – wegen der Mängel – noch nicht fertig eingegliedert waren. Deshalb beharrt die Kasse darauf, dass der Arzt, der ohnehin schon kassierte, jetzt noch eine brauchbare Leistung erbringt.

„Den Fehler der DAK darf die Patientin nicht ausbaden müssen“, sagt Christian Kranich von der Hamburger Verbraucherzentrale. Darauf aber läuft es hinaus, wenn die Kasse vor dem Landessozialgericht gewinnt. Die Patientin wird sich die neuen Kronen von einem neuen Zahnarzt ihres Vertrauens einsetzen lassen – so oder so. „In die alte Praxis“, sagt Anwältin Lein, „geht sie auf keinen Fall mehr“.

Elke Spanner