: Das Modebuch Berlin 2010/2011
Wenn ein Modelabel „Don’t Shoot the Messengers“, „Paar Haende“, „Hüftgold“ oder „Wunderkind“ heißt, dann kann man mit Sicherheit von einem Berliner Label ausgehen. Die haben so komische Namen. Wollen um Himmels willen nicht nach Industrie klingen, sondern bitte schön nach Do-it-yourself (wo sie oft genug ihre Ursprünge haben) und nach 80er-Jahre-Punk.
„Das Modebuch Berlin“, herausgegeben von Stadtmagazin Zitty (12,50 €), stellt diese und weitere 34 Labels in gebotener Kürze vor. Für die dritte Ausgabe des Modebuchs konnte Wolfgang Joop als einer der Fotografen gewonnen werden. Obwohl man meint, er habe alles schon mal gemacht, ist diese Rolle für ihn neu. Wenigstens so aufschlussreich wie seine Modestrecke ist freilich seine Interview-Erinnerung, als Kind nach dem Krieg mit seiner Freundin Angela im Schlosspark von Sanssouci „Verbluten“ gespielt zu haben.
Joop ist eine gute Idee, aber nicht das Pfund, mit dem „Das Modebuch“ wirklich wuchert. Das bilden die vielen Berliner Designer und Designerinnen, die ModeautorInnen und -fotografInnen und die vielen kleinen Modeläden, die es nur hier gibt. Typisch Berlin ist auch das Zusammentreffen von Mode und Kunst im Gespräch mit der Professorin an der Frankfurter Städel-Kunsthochschule, Isabelle Graw. Sie berichtet, wie sie zusammen mit Kaspar König (Museum Ludwig, Köln), Michael Neff (Kunstagent) und Helmut Draxler (Kunsttheoretiker) am Berliner Gallery Weekend für den Künstler Heimo Zobernig in einer von ihm inszenierten Modenschau lief. Zobernig hatte seine alten Anzüge auseinandernehmen und den Trägern neu auf den Leib schneidern lassen, um sie gleichberechtigt als seine Vermittler auf den Laufsteg zu schicken. Isabelle Graw, die in ihrer letzten Veröffentlichung „Der große Preis“ den Zusammenhang von Kunst und Markt untersucht hat, schreibt in ihrem Blog „Reiche Römer“ regelmäßig auch über Mode.
Blogs sind selbstverständlich Thema des Modebuchs. Mary Scherpe, die 2005 stilinberlin gründete und seitdem als Expertin gilt, sieht freilich bei den Modeblogs noch „viel Luft nach oben“. Was zu der Frage führt, ob das nicht auch für die Modeszene in Berlin generell stimmt. Gilt Berlin nun zu Recht als Modemetropole? Und warum wird Mode in Deutschland häufig nur mit Glamour und Chichi gleichgesetzt – und nicht als Kulturgut wahrgenommen wie in Frankreich oder Italien? Oder wie im Fall von Großbritannien als Standort- und Imagefaktor? Weshalb das 1983 gegründete British Fashion Council, das britische Designer, vor allem aber London in seiner Rolle als Mayor Player der internationalen Modeszene zu bestärken sucht, jährlich mit einigen Millionen Pfund ausgestattet wird – von der Modeindustrie. Ob das Do-it-yourself-Prinzip der Berliner Label dagegen anstänkern kann? Nun ja, wer liest, wird fündig. WBG