: DIE KLEINE WORTKUNDE
[MEILENSTEIN]„BP erreicht Meilenstein im Kampf gegen Ölpest“, titelte am Mittwoch die Nachrichtenagentur „apn“. Was war passiert? Nach mehr als drei Monaten, in denen rund 780 Millionen Liter Öl ins Meer flossen, gelang es, schweren Bohrschlamm in die Ölquelle zu pumpen. Loch also erst mal dicht, Katastrophe noch lange nicht besiegt.
Auch auf der Homepage des Öl-Riesen spricht man von einem „significant milestone“, was dem deutschen Meilenstein gleichkommt. Wer bei google das Wort Meilenstein eingibt, muss allerhand Lobeshymnen ertragen. James Camerons Avatar – ein „Meilenstein der Filmgeschichte“ und „Meilensteine der Wissenschaft“ sind da zu finden. Zusätzlich bezeichnet der Begriff heute im Projektmanagement das Erreichen eines „Zwischenziels“.
Wenn man Meilenstein in seinem ursprünglichen Sinn, einem „Entfernungsanzeiger“, auffasst, ist das sicherlich zutreffend. Im Römischen Reich war mit „Miliarium“ eine Distanzsäule gemeint, die dem Reisenden eine bestimmte Entfernung anzeigte. BP will also sagen, dass der Erfolg etwas weniger weit entfernt ist als vor einigen Wochen. Bis Mitte August soll das Loch endgültig zu sein. Wenn alles gut geht.
Historisch gesehen gibt es jedoch noch eine weitere Vermutung zum Sinn der Orientierungsmarken. Denn da die Steine entlang der Römerstraßen viele Blicke auf sich zogen, stellten sie auch ein Mittel der Propaganda dar. Wie etwa die „goldene Meilensäule“ auf dem Forum Romanum, die trotz ihres klangvollen Namens „Miliarium Aureum“ hauptsächlich aus Bronze bestand. Vergoldet hatte man lediglich die Inschrift. Wie gülden der aktuelle Meilenstein von BP ist, muss sich noch zeigen. Vielleicht ist er einfach nur ein „Zwischenziel“. ANNE C. SCHMIDT
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