Billigapotheke erobert Saarbrücken

Unter heftigem Protest der einheimischen Konkurrenz eröffnet ein Pharmaversand aus den Niederlanden die erste Filiale in Deutschland. Das deutsche Standesrecht verbietet der Branche bislang den Aufbau von Ladenketten mit Discountpreisen

AUS SAARBRÜCKEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Der Albtraum der Apotheker hat einen Namen: Doc Morris. Die größte Versandapotheke Europas mit Sitz in den Niederlanden spannte den deutschen Apotheken in den letzten sechs Jahren rund eine Dreiviertelmillion Kunden aus. Wer verschreibungspflichtige oder frei verkäufliche Arzneimittel bei Doc Morris ordert, spart viel Geld – bei Rezepteinreichung die Hälfte der Zuzahlung, bei rezeptfreien Medikamenten bis zu 30 Prozent der üblichen Preise.

7 Millionen Unterschriften sammelten die aufgebrachten Apotheker gegen Doc Morris bei ihrer Kundschaft ein. Vergeblich. Doc Morris wurde dadurch nur noch bekannter. Auch mit Klagen gegen die Versandapotheke scheiterten die standesbewussten deutschen Apotheker und ihre Interessenverbände vor dem Europäischen Gerichtshof.

Jetzt gehen die niedergelassenen Apotheker wieder auf die Barrikaden. Seit vier Wochen ist Doc Morris nicht mehr nur als Versand von den Niederlanden aus in Deutschland aktiv, sondern mit einer richtigen Filiale in Saarbrücken. Die Kundschaft stürmte die Apotheke mit dem grünen Logo geradezu, in den anderen blieb die Kundschaft weg. „In nur einem Monat haben wir den Umsatz der von uns übernommenen alteingesessenen Apotheke glatt verdoppelt“, sagte der Vorstandsvorsitzende von Doc Morris, Ralph Däinghaus, nach Ablauf der ersten Testphase in dieser Woche der taz.

Er habe „den Erfolg erwartet“, denn die Medikamentenpreise in Deutschland seien „ein Skandal“. In europäischen Ländern mit vergleichbaren ökonomischen und sozialen Standards wie etwa Belgien oder Frankreich kosteten identische Arzneimittel oft nur die Hälfte. „Die Krankenkassen wünschen uns deshalb noch mehr Erfolg.“

Weil das deutsche Apothekengesetz vorschreibt, dass nur ein ausgebildeter Apotheker eine Apotheke betreiben darf, kaufte Doc Morris der Apothekerin Jutta Müller ihren Laden im Herzen der Innenstadt ab und stellte sie dann als Leiterin der Apotheke wieder ein. Müller hält die Stammkundschaft. Und die Preise bei Doc Morris sorgen dafür, dass diese Stammkundschaft von Tag zu Tag wächst.

Ein Rentner etwa ist ganz begeistert. Seine Teststreifen für ein Blutzuckermessgerät bekommt er hier für 26 Euro. Bisher habe er zwischen 34 und 38 Euro dafür bezahlen müssen, sagt er.

Im Kern ging und geht es bei den Klagen gegen Doc Morris immer um die eine Rechtsfrage: Geht die europäische Niederlassungsfreiheit vor? Oder gilt deutsches Recht, wonach nur ein in Deutschland zugelassener Apotheker in Deutschland eine Apotheke eröffnen darf? Die saarländische Landesregierung, die Doc Morris die Genehmigung für die Apothekeneröffnung erteilt hat, steht voll hinter den Niederländern und deren Rechtsauffassung, wonach das europäische Recht das nationale schlage. Gesundheitsminister Josef Hecken (CDU) verwies erst am vergangenen Wochenende auf eine Stellungnahme der Europäischen Kommission, die „nationale Vorschriften für Apotheken für unvereinbar mit dem Binnenmarkt“ halte.

Doc Morris eröffnet nahe der Apotheke in wenigen Tagen auch eine Niederlassung seines Versandhandels. 50 qualifizierte Arbeitsplätze würden so geschaffen, freut sich Minister Hecken, bis 2010 sogar bis zu 300. Auch deshalb sehe er möglichen Klagen gegen die Landesregierung wegen der an Doc Morris erteilten Genehmigung „mit Ruhe und Gelassenheit“ entgegen.

Bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken sind bereits Strafanzeigen gegen die Eröffnung der Apotheke und des Versandhauses eingegangen. Die Behörde lehnte es ab, ein Verfahren zu eröffnen. Es sei „kein Straftatbestand“ erfüllt.