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Archiv-Artikel

Brutal locker bergab

SKI ALPIN Der Österreicher Matthias Mayer steht erstmals bei einer Abfahrt auf dem Podium und gewinnt überraschend Gold. Eine Erfolg des Systems, sagen seine Landsleute

„Es kommt eh alles so, wie es kommen soll“

HOBBYPHILOSOPH UND OLYMPIASIEGER MATTHIAS MAYER

Aus krasnaja poljana ANDREAS RÜTTENAUER

Am Ende war alles ganz einfach zu erklären. Der Olympiasieg von Matthias Mayer sei der logische Erfolg der Arbeit des österreichischen Skiverbands. Die nach dem sensationellen Lauf des jungen Mannes aus Kärnten in die Pressezone entsandten Öffentlichkeitsarbeiter des Verbands erklärten, wie reich der ÖSV sei, wie das Fördersystem funktioniert, das Zusammenwirken von Ski-Haupt-, Mittel- und Oberschulen, und dass es denen, deren Talent man erkannt habe, an nichts fehle – im Leben nicht und im sportlichen Umfeld schon gar nicht.

Warum das österreichische Männerteam bei den Alpinen vor vier Jahren in Vancouver keine einzige Medaille gewonnen hat, obwohl dieses Rundum-sorglos-Paket auch damals schon gab, das wusste indes niemand zu beantworten. Und am Ende haben die strahlenden Österreicher es dann auch zugegeben: ja, es war eine Sensation.

Mayer war noch nie in seiner Karriere unter die besten drei einer Abfahrt gekommen und wurde schon am ersten Tag der alpinen Wettbewerbe zum Triumphator für Austria. Seinen Sieg vor dem Italiener Christoph Innerhofer und dem Norweger Kjetil Jansrud konnte er selbst lange genauso wenig fassen wie das Publikum. Dessen größter Teil schien den serpentinenreichen Weg hinauf ins Skigebiet über dem Retortenort Rosa Chutor nur auf sich genommen zu haben, um dem alten Ami Bode Miller zuzujubeln. Als der mit der Startnummer 18 an den Start gegangen ist, waren die Tribünen, deren Sitze lange nur zur Hälfte besetzt waren, endlich halbwegs gefüllt. Die Miller-Fans waren fest davon überzeugt, dass ihr Liebling, der so lange verletzt war, nachdem er sich bei der ersten Weltcup-Abfahrt, die 2012 hoch über Sotschi stattgefunden hat, so schwer am Knie verletzt hat, gewinnen würde. Hat er aber nicht. Seine vogelwilde Fahrt war dann doch nicht so schnell wie sein unglaublicher Trainingslauf am Tag vor dem Rennen. Seine Fahrt, bei der er beinahe in ein Tor hineingefahren ist, schien ihm so peinlich zu sein, dass er den Zielraum am liebsten gar nicht verlassen hätte, nur um ja nicht mit jemanden sprechen zu müssen.

Nach Millers Lauf leerte sich die Tribüne schnell wieder. Und so feierte der neue Olympiasieger bei der Blumenzeremonie vor ganz vielen leeren Sitzen. Für Mayer waren die meisten Leute gewiss nicht gekommen. Und vielleicht fürchteten sie auch nur weitere Sicherheitskontrollen. Die Kontrollen auf dem Hinweg nervten vor allem die ganz wichtigen unter den Zuschauern, diejenigen, die die Berechtigung zur Anreise mit dem eigenen PKW hatten. Die Wagen wurden nicht nur von allen Seiten – mit Hilfe eines Spiegels auch von unten – inspiziert, es mussten auch noch die Logos aller Fahrzeuge, die nicht aus dem Hause von Olympiasponsor Volkswagen stammen, mit einem schwarzen Tape überklebt werden.

Vielleicht hat das mangelnde Interesse an diesem olympischen Kernevent auch einfach damit zu tun, dass in Russland der alpine Wintersport kaum verbreitet ist. Nachdem Alexander Glebow, der einzige Russe unter den 50 Startern im Ziel war, ließen die russischen Kollegen schnell von dem 30-Jährigen ab, als sie merkten, dass das adlige IOC-Mitglied Albert von Monaco mitten im Pressebereich stand. Der 30-jährige Glebow, der den 23. Platz belegte, ist das gewöhnt. Er weiß am besten, wie schlecht es um den Alpinsport in Russland steht. Glebow lebt und trainiert in Slowenien.

Von nebenan, aus Kärnten, kommt der neue Olympiasieger. Der sagte, als er gefragt wurde, wie er es denn geschafft habe, ausgerechnet bei Olympia sein erstes Rennen zu gewinnen, dass er einfach „brutal locker“ gewesen sei. Und dann erzählte er von seiner ersten Abfahrt in Sotschi. „Da muss ich in zwei Jahren ausse“, habe er sich damals gedacht und sich jede Kurve eingeprägt. Jetzt hat der 23-jährige Sohn von Helmut Mayer, dem Super-G-Silbermedaillengewinners von Calgary 1988, Österreich glücklich gemacht. „Jetzt können wir jede Kritik erst einmal weglegen“, sagte er und lieferte noch eine spirituelle Begründung für seinen Erfolg. Seine Mutter sei sehr religiös und habe so eine Ahnung gehabt. Diese Religiosität habe ihm vielleicht geholfen, locker zu bleiben. Mayer: „Es kommt eh alles so, wie es kommen soll.“