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Schmuddelkind Ruhr

Obwohl viel mehr Abwasser in der Ruhr landet als im Rhein, wurden die Wasserwerke im Ruhrgebiet seit Jahren nicht saniert. Grüne: „PFT ist wohl nur ein Gift unter vielen“

VON MIRIAM BUNJES UND GESA SCHÖLGENS

Röntgenkontrastmittel, Medikamentenreste und – zur Zeit heiß diskutiert – perfluorierte Tenside (PFT): Das alles schwimmt durch die Ruhr und gelangt auch ins Trinkwasser.

Das liegt daran, dass das Ruhrgebiet Klärwasser trinkt: In trockenen Sommern besteht das Wasser der Ruhr zu 40 Prozent aus Klärwasser. Auch sonst liegt der Wert bei 25 Prozent, so die Zahlen des NRW-Umweltministeriums. Im Rhein sind es dagegen gerade einmal drei Prozent. Trotzdem stehen im Rheinland die moderneren Wasserwerke. Der Ruhrverband zweifelt die Zahlen an. „Der Jahresdurchschnitt liegt bei maximal zehn Prozent“, sagt Sprecher Markus Rüdel.

Schlimm genug, finden die Grünen. „PFT ist nur der Gipfel des Eisbergs“, sagt Johannes Remmel, umweltpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion. „Dieses Gift hat uns gezeigt, wie unzureichend die Trinkwasseraufbereitung im Bereich von Ruhr und Möhne läuft. Es ist zu fast hundert Prozent ins Trinkwasser gelangt.“

13 der 26 Wasserwerke des Ruhrverbands haben weder Aktivkohlefilter, noch wird das Wasser mit Ozon gereinigt – die wichtigsten Bestandteile der so genannten Düsseldorfer Methode, mit der alle großen Wasserwerke im Rheinland ihr Trinkwasser aufbereiten. „Die Werke entlang der Ruhr müssen dringend saniert werden“, fordern die Grünen.

Das können die Wasserwerksbetreiber nicht nachvollziehen. 1.600 Millionen Euro habe der Ruhrverband in den vergangenen 15 Jahren in Kläranlagen investiert, so Sprecher Rüdel. „Entscheidend ist doch, was hinten rauskommt. Wir halten uns an die Trinkwassernormen“, sagte Heinz-Otto Heimeier, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke Ruhr (AWWR).

Die AWWR hält eine Sanierung für unnötig: „Über die Art der Aufbereitung entscheiden örtliche Gegebenheiten, etwa Qualität und Menge des Wassers.“ Nur wenn es Stoffe wie PFT enthält, wird Aktivkohle eingesetzt.

Der Einsatz von Kohlefiltern ist auch eine Kostenfrage. Die Wasserwerke Westfalen kostet der Filterbetrieb in vier Werken täglich 4.000 Euro. Der Neueinbau eines Kohlefilters kostet zwischen 150.000 und 200.000 Euro. „Natürlich müssen wir auch wirtschaftlich arbeiten“, sagt Heimeier. Alle Stoffe aus dem Wasser zu filtern, sei ohnehin unmöglich.

„Die Öffentlichkeit betrachtet Wasser als ein Lebensmittel, wo nichts drin sein darf“, sagt Frank Remmler, Leiter des Dortmunder Instituts für Wasserforschung. Von diesem Gedanken würden sich die Verbraucher nur langsam verabschieden. Remmler stört sich an der Forderung der Grünen: „Sie fordern nur Reparaturmaßnahmen.“ Wichtiger sei zu verhindern, dass Fremdstoffe in die Umwelt gelangten. „In Krankenhäusern landen etwa Röntgenkontrastmittel mit dem Urin im Abwasser.“

Und das nicht in geringen Mengen: „Bis zu 25 Prozent der verkauften Mengen bestimmter Wirkstoffe gelangen in Nordrhein-Westfalen in die Gewässer“, hat das Umweltministerium im Juni auf eine Anfrage der Grünen geantwortet. Und: „Unsere öffentlichen Kläranlagen können Pharmaka und Röntgenkontrastmittel nicht aus dem Wasser entfernen.“

Die Grünen fordern nun, dass das Wassergesetz endlich angewandt wird. „Die Regierung hat Angst vor der Wasserlobby“, sagt Johannes Remmel. „Sogar die SPD geht nicht an das Thema ran, weil auch rot-regierte Kommunen an Ruhrverband und Gelsenwasser beteiligt sind.“ Das Wassergesetz hatten die NRW Grünen unter großem Streit in der ehemaligen Landesregierung durchgesetzt, es ist seit vergangenem Jahr in Kraft. Das Gesetz sieht vor, dass Wasserwerke, die nicht auf dem neuestem Stand der Technik arbeiten, die Entnahmeerlaubnis entzogen wird – sie dürfen solange kein Wasser mehr aufbereiten, bis sie ihre Anlagen erneuert haben.

Das Umweltministerium hat das Wassergesetz bislang noch nicht genutzt. „Im Hochsauerlandkreis wurde ja ein Aktivkohlefilter angeschafft“, sagt Sprecher Markus Fliege. In den nächsten Tagen trifft der Minister die Spitzen der Wasserwirtschaft zu Gesprächen. Daraus soll ein Trinkwasser-Überwachungskonzept entstehen.

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