: „Motivation ist lernbar – auch für Mathe“
Ulrike Besenthal-Falta bietet Lern-Coaching für Kinder und Jugendliche an. Müssen jetzt schon Drittklässler ihr Humankapital optimieren? Nein, sagt die Supervisorin. Ihr ginge es darum, Schülern Techniken zu zeigen, mit denen sie leichter lernen können. In der Schule würde es daran oft hapern
taz: An wen richtet sich Ihr Angebot?
Ulrike Besenthal-Falta: An Kinder und Jugendliche mit Lernblockaden oder solche, die Schwierigkeiten haben sich beim Lernen zu konzentrieren. Das können Abiturienten in der Prüfungsvorbereitung sein aber auch Grundschüler, wobei bei diesen Probleme meistens in der dritten oder vierten Klassen auftreten. Erst- und Zweitklässler sind eigentlich noch zu klein dafür, da muss man im Einzelfall sehen, ob das sinnvoll ist.
Wie können Sie helfen?
Ich gucke erst einmal, worum es eigentlich geht und vereinbare dann ein individuelles Konzept, wie Lernschwierigkeiten angegangen werden können. Das kann bedeuten, dass man sich ansieht, wie und wann jemand lernt, was für ein Lerntyp er oder sie ist, ob es am Arbeitszimmer etwas gibt, was man ändern sollte oder ob jemand einen Zeitplan braucht oder bestimmte Techniken.
Und wenn sich herausstellt, dass es nicht an Techniken hapert, sondern ein Kind nicht lernen kann, weil sich die Eltern gerade trennen?
Das kann ein Ergebnis des Erstgesprächs sein, das ja kostenlos ist. Ein Lerncoaching kann immer kleine psychologisch-therapeutsche Anteile haben, aber wenn die zu stark sind, muss man schauen, ob vielleicht eine Therapie sinnvoll ist. In diesem Fall würde ich an andere verweisen.
Sollte nicht eigentlich die Schule dafür sorgen, dass Kinder wissen, wie sie am besten lernen und sich motivieren?
Das wäre sehr schön! Und sicher gibt es Schulen und Klassen, in denen es gut läuft. Aber es gibt Kinder, die wissen beispielsweise nicht, wie man Texte sinnvoll liest, wie man sie sich erschließen kann. Dafür gibt es relativ einfache Techniken wie Stichworte und Markierungen, die Schüler entweder nicht kennen oder nicht mit ihnen umgehen können.
Dann müssten Sie eigentlich nicht die Kinder coachen, sondern die Lehrer?
Das wäre sicher auch gut und ich biete das auch als Fortbildung an. Pädagogen sind aus meiner Erfahrung aber oft auch einfach überfordert, weil sie zu viele Schüler in einer Klasse haben, um auf die einzelnen Schwierigkeiten einzugehen, zum Beispiel auf die unterschiedlichen Lerntypen zu achten.
Oft scheitert es ja auch an der Motivation. Mal angenommen, jemand muss für seine Mathe-Abiklausur lernen und findet das Fach einfach ganz furchtbar. Was machen Sie dann?
Ich gebe keine Nachhilfe, aber an der Motivation kann man arbeiten.
Wie?
Ganz wichtig ist, sich ein Ziel zu setzen und pragmatisch die Dinge zu betrachten anstatt eine Jammerhaltung einzunehmen. Oft hilft es, neue Fragen zu stellen, etwa: „wie kann ich mit einem sinnvollen Aufwand das erreichen, was für das Gesamte wichtig ist?“. Wenn mein Ziel ein bestimmter Notendurchschnitt ist, um einen Numerus Clausus zu schaffen, dann ist die Matheklausur ein kleiner Schritt auf diesem Weg.
Und wie kommt man zu dieser weisen Einstellung?
Zum Beispiel über mentales Training, indem man sich die Situation hervor ruft, sich fragt, wo sich etwas sträubt, wovor man Angst hat. Sportler machen das auch.
Und wenn ich nicht an meiner Motivation scheitere, sondern an meinem Intellekt?
Wenn man weniger Angst vor einer Aufgabe hat und sie nicht so negativ besetzt ist, lässt sie sich in der Regel auch leichter lösen. Aber natürlich kann man mit so einem Programm keine manifeste Mathe-Schwäche oder eine Legasthenie beheben, dafür ist es nicht geeignet.
Supervision für Schulkinder: Müssen jetzt schon die Kleinen ihr Humankapital optimieren?
Auf keinen Fall! Das entspricht überhaupt nicht meinem Menschenbild, dass Erstklässler an sich arbeiten, um später einen guten Job zu bekommen. Mir geht es darum, dass sie nicht auf der Strecke bleiben, weil es niemanden gibt, der ihnen beim „Lernen lernen“ hilft.
Aber sie zeigen ihnen, wie sie sich ans System anpassen können.
Ich finde nicht, dass es um Anpassung geht, das wäre für mich „pauken, pauken, pauken“ und nicht „so bin ich Problemen nicht hilflos ausgesetzt, sondern kann sie selbst lösen“ – darin möchte ich die Kinder stärken. Am Schulsystem ändert sich dadurch natürlich nichts. Dazu braucht es grundsätzlichere Ansätze. Auch wenn man mit Lehrern arbeitet, die sich in der Supervision mit ihrem Job auseinander setzen, ergeben sich daraus nur kleine Schritte, die aber Stück für Stück wirken können. Letztendlich ist das immer die große Frage: Setzen wir nur an den Symptomen an oder können wir auch Ursachen beheben.
Haben Sie noch einen Tipp für diejenigen, die sich so ein Coaching nicht leisten können?
Es wäre schon viel gewonnen, wenn Kindern dabei geholfen würde, sich zu vernetzen, in der Schule oder privat, so dass sie sich gegenseitig etwas beibringen können.
Interview: Eiken Bruhn
Kontakt: ubf@freenet.de, ☎ 04298-699311