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Archiv-Artikel

berliner opern etc. Nach der Wahl Chefsache?

Wahlkämpfe sind keine Sternstunden der Kulturpolitik. Auch in Berlin nicht, wo am Sonntag ein neues Abgeordnetenhaus gewählt werden muss. In einem Anfall von übermäßigem Siegesbewusstsein ließ sich der amtierende Regierungschef Klaus Wowereit von der SPD dazu hinreißen, das Tabuthema der drei Opern zu erwähnen. Pampig ließ er verlauten, er halte eher den Chef der Opernstiftung für „falsch“ als seine eigenen Sparvorschriften.

Nun hat Wowereit noch immer mit dem Ruf zu kämpfen, ein unseriöser Schwätzer und Partylöwe zu sein. Michael Schindhelm, der angegriffene Leiter der Opernstiftung, hatte schon im Frühjahr vorgerechnet, dass die Planziffern des Senats nicht erfüllbar sind. Dass er damit das Ende seiner Amtszeit eingeleitet hat, mag er geahnt haben, aber tapfer wie er nun mal ist, hält er auch jetzt dagegen. Für die „Schließung eines Opernhauses“ stehe er noch immer nicht zur Verfügung, sagte er in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau, vielmehr habe er einen neuen Sanierungsplan ausgearbeitet, den er „im Oktober“ der Öffentlichkeit vorstellen werde.

Schindhelm sind durchaus realistische Ideen zuzutrauen. Ihm sei deshalb klar, sagt er, dass seine Vorschläge „nicht nur auf Begeisterung“ stoßen werden. Fragt sich nur, wer sie nach der Wahl lesen soll. Wowereit möchte nicht nur den kritischen Schindhelm, sondern auch den Kultursenator Flierl von der Linkspartei loswerden und dabei gleich das Kulturressort einsparen. Zuständig wäre dann der Chef seiner Senatskanzlei, André Schmitz. Der moserte im Lokalradio schon mal rum, die „Verantwortlichen“ der Berliner Opern seien „national nicht erfolgreich“.

Er muss es wissen. Bevor er zu Wowereit ging, war er kommissarischer Intendant der Deutschen Oper. Das ehemalige Prunkstück des Westens schlingert tatsächlich von Krise zu Krise. Lassen wir uns überraschen. Vielleicht holt Schmitz das Erfolgsduo Barenboim und Musbach aus der Staatsoper an die Bismarckstraße und verkauft das Haus unter den Linden endlich doch an den Bund – als hauptstädtische Touristenattraktion für Regierungspartys der gehobenen Art: Kasse saniert, Opernhäuser erhalten.

NIKLAUS HABLÜTZEL