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Archiv-Artikel

Bosniens neuer Obermuslim

Bakir Izetbegovic ist offensichtlich für Überraschungen gut. Am Sonntag erreichte er bei den Präsidentenwahlen in Bosnien und Herzegowina rund 35 Prozent der Stimmen und wird als Vertreter der Muslime in das dreiköpfige Staatspräsidium einziehen. Der 54-jährige Architekt wohnt mit Frau und zwei Kindern in einem bescheidenen Einfamilienhaus in der Nähe des Zoos von Sarajevo. Dieses hat er von seinem Vater geerbt, Alija Izetbegovic, dem ersten demokratischen bosnischen Präsidenten. Wie dieser ist Bakir Izetbegovic ein gläubiger Muslim und ein moderater Mann, der für ein multireligiöses und multinationales, demokratisches Bosnien und Herzegowina eintritt.

Seine Partei, die sich seit ihrer Gründung als muslimische Nationalpartei verstand, die Partei der demokratischen Aktion (SDA), hat sich zu einer demokratischen Volkspartei gewandelt. Bakir Izetbegovic unterstützt jetzt die Politik der Parteiführung unter Sulejman Tihic. Das war nicht immer so. Vor einigen Jahren galt er als rechter Flügelmann und trat gegen den moderaten Tihic an. Bei der Kampfabstimmung unterlag er. Die Partei wollte Kontinuität durch Tihic.

Als das kroatische Mitglied des Staatspräsidiums Zeljko Komsic Bakir Izetbegovic im Wahlkampf vorwarf, dieser habe im Krieg im Wohnzimmer seines Vaters gesessen und Tee getrunken, während die Frontkämpfer Schlammwasser trinken mussten, ließ Bakir sich nicht provozieren. „Das sind Anwürfe von gestern. Bosnien und Herzegowina muss nach Europa geführt werden.“

Alija Izetbegovic, der während des Kriegs 1992–1995 Präsident des von serbischen und später auch von kroatischen Truppen angegriffenen Lands und Vorsitzender der damaligen bosniakischen Nationalpartei SDA gewesen war, hat im Bewusstsein der Muslime Bosniens tiefe Spuren hinterlassen. Wie sein Sohn mit diesem Erbe umgeht, wird sich in Zukunft erweisen. Eines ist Bakir Izetbegovic schon gelungen: Er hat es geschafft, Haris Silajdzic, der 1995 Gegenspieler seines Vaters war und die vergangenen vier Jahre die Bosniaken im Staatspräsidium repräsentiert hat, eine herbe Niederlage beizubringen. Silajdzic wurde nur Dritter. ERICH RATHFELDER