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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Showdown in Dallas

BASKETBALL Mit dem Deutschen Niels Giffey gelingt der University of Connecticut ein starkes Comeback in der College-Meisterschaft

Niels Giffey hat erreicht, was kein deutscher Basketballspieler vor ihm erreicht hat. Keinem Dirk Nowitzki, keinem Henning Harnisch, keinem Henrik Rödl war es vergönnt, zwei Mal beim Finale der March Madness dabei zu sein, sich zwei Mal fürs Endspielwochenende des College-Sportverbandes NCAA zu qualifizieren und auf der denkbar größten Bühne präsentieren zu können. Nowitzki war so jung schon so gut, dass er gleich NBA-Profi wurde, Harnisch hat nie den Sprung in die USA gewagt und Rödl war lange Zeit der einzige Deutsche, der den Titel gewonnen hatte – 1993 mit den North Carolina Tar Heels.

Seit 2011 ist Rödl nicht mehr allein. Da wurde der Berliner Giffey, seit der EM im vergangenen Sommer auch eine der tragenden Säulen der deutschen Nationalmannschaft, gleich in seinem ersten Jahr an der University of Connecticut, kurz UConn, NCAA-Champion. Dieses Kunststück könnte der mittlerweile 22-Jährige am kommenden Samstag und Montag wiederholen, nachdem er und seine UConn Huskies die ersten vier K.-o.-Spiele des Meisterschaftsturniers gewonnen und sich damit fürs Final Four in Dallas qualifiziert haben. „Es ist unglaublich“, sagte Giffey nach dem Spiel, „ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

Stattfinden wird das Final Four, das neben UConn noch die Florida Gators, die Kentucky Wildcats und Wisconsin Badgers erreicht haben, allerdings nicht in der Arena der Mavericks, für die Nowitzki seit 1998 Jahren als Profi glänzt. Die wäre für diesen nach der Super Bowl bedeutendsten Termin auf dem US-amerikanischen Sportkalender zu klein. Stattdessen wird der NCAA-Meister in der Spielstätte der Dallas Cowboys gekürt, einem hochmodernen Stadion mit beweglichem Dach und einer Kapazität von mehr als 80.000 Zuschauern. Das diesjährige Final Four, so viel ist schon sicher, wird einen neuen Zuschauerrekord aufstellen.

Ausgerechnet in Dallas also, wo der beste deutsche Basketballer eine neue Heimat gefunden hat, wird die College-Karriere von Giffey ihr Ende finden – mit oder ohne Titel, denn nach vier Jahren in Connecticut läuft seine Spielberechtigung fürs College aus. Ob Giffey beim Draft im Juni von einem NBA-Team ausgewählt wird wie einst Nowitzki, ist eher unwahrscheinlich: Zwar spielt der sowohl als Guard als auch als Forward einsetzbare Giffey nicht mehr nur eine Nebenrolle bei den Huskies wie beim Titelgewinn vor drei Jahren, als er meist nur von der Bank kam. Mittlerweile steht er in der Startformation, aber die Stars sind andere: Vor allem Shabazz Napier glänzt in den letzten Wochen. Im mit 60:54 gewonnenen Viertelfinale gegen Michigan State erzielte der Aufbauspieler 25 Punkte und verteilte vier Assists.

Giffeys Statistik nimmt sich dagegen vergleichsweise bescheiden aus: sechs Punkte, fünf Rebounds und zwei Assists. Vor allem aus der Distanz, sonst Giffeys Spezialität, lief es gar nicht. Er, der in dieser Saison mehr als 50 Prozent seiner Dreier versenkt hat, fand diesmal mit keinem seiner fünf Versuche den Korb. Aber, wie Giffey nach dem Spiel feststellte: „Es ist egal, wer die Punkte macht.“ Als einer der Älteren ist er längst auch „einer der Anführer im Team“.

Außerdem gehört er zu den Spielern, die dunkle Stunden durchgestanden haben. In der vergangenen Saison wurden die Huskies von der NCAA gesperrt. Der Grund: In früheren Jahren hatten die Spieler ihr Studium vernachlässigt. Dass die faulen Sportler und auch der verantwortliche Cheftrainer Connecticut längst verlassen hatten, war der NCAA egal: Sie disziplinierte die Hochschule, der Millioneneinnahmen entgingen, und bestrafte indirekt vor allem Spieler wie Napier und Giffey, die um den Saisonhöhepunkt betrogen wurden. Folgerichtig verließen fünf Talente UConn, wurden lieber Profi oder suchten sich ein anderes College. „Wir hatten das nicht verdient“, sagte Giffey, der in Connecticut blieb. Umso größer war die Motivation für die Rumpfmannschaft, in den vergangenen zwei Jahren noch härter zu arbeiten. Die Arbeit hat sich ausgezahlt: In Dallas kann Niels Giffey deutsche Sportgeschichte schreiben.

THOMAS WINKLER