: Erfahrungen in Schrecklinghausen
KONZERT Trovaci singen auf Deutsch und Serbokroatisch, oft in einem so raschen Wechsel, dass es einer Fantasiesprache gleichkommt. Auch sonst hat die Band es drauf. Im Festsaal Kreuzberg haben es die Düsseldorfer Exjugoslawen aber nur teilweise gezeigt
Am Donnerstagabend spielten Trovaci im Festsaal Kreuzberg. Die Band, bestehend aus Düsseldorfer Exjugoslawen, nennt ihre Musik „Balkan Reggae Ska Punk“. Balkan Reggae Ska Punk? Doch der Reihe nach. Zunächst las Danko Rabrenovic, Gitarrist und Sänger der Trovaci, anstelle einer Vorband einige Passagen aus seinem jüngst erschienenen Buch „Der Balkanizer – Ein Jugo in Deutschland“. Hinter ihm das bereits aufgebaute Set. Auf der Rückseite der Bassdrum prangen Hammer und Sichel.
Das Buch behandelt in kurzen Episoden die Erfahrungen Rabrenovics, der Krieg und Untergang seines Heimatlandes Jugoslawien bei Verwandten in Recklinghausen („Schrecklinghausen“) erlebte, sich durch sämtliche Aufenthaltstitel und Jobs kämpfte, um schließlich mit einer eigenen Sendung beim WDR zu landen. Das eigene Fremdeln inszeniert Rabrenovic geschickt und selbstironisch, sodass aus der tragischen eine tragisch-komische Geschichte wird. Eine Einführung in die regionalen Besonderheiten von Flüchen – für deutsche Ohren gewöhnungsbedürftig –, darf da nicht fehlen. Das laute Gejohle des Publikums zeigt, dass nicht wenige im Festsaal zweisprachig sind. „Noch eine letzte Geschichte“, endet Rabrenovic, „und dann tanzen wir bissl zusammen!“
Doch trotz der eingängigen Rhythmen, die vor allem Rhythmus-Gitarre und Ska-Trompeten vorgaben, will beim Konzert zunächst keine rechte Tanzstimmung aufkommen. Mittlerweile hat sich der Saal zwar gefüllt. Um die 120 Leute stehen im und vor dem Saal. Viele reden und irgendwie scheint jeder mit jedem irgendwie bekannt zu sein.
Die Band ist gut eingespielt. Vielleicht zu gut. Der Sound ist glatt und das Set orientiert sich stark an Trovacis neuer CD „Malo Morgen“ (übersetzt etwa „kleiner Morgen“, ein Euphemismus für Nie). Der Gesang ist auf Deutsch und Serbokroatisch, oft in einem so raschen Wechsel, dass es einer Fantasiesprache gleichkommt. Der deutliche Akzent der Sänger verstärkt den Eindruck noch. In diesem Zusammenhang sind Einleitungen wie „Das nächste Lied werden nicht alle verstehen, es ist in Düsseldorfer Platt!“ großartig. Das Publikum dankt es mit lautstarken verschiedensprachigen Zurufen. Das Stück „Integrillen“, eine Persiflage auf die Anmaßungen der Integration, wird zu Ehren Thilo Sarrazins gespielt. Das darauf folgende ist Angela Merkel und allen Gastarbeitern gewidmet. Es handelt von der aufreibenden Suche nach Arbeit, auf die man angewiesen ist, die es aber nicht gibt.
Dass Trovaci es auch musikalisch draufhaben, zeigt sich aber bei den Coversongs jugoslawischer Rockklassiker der Achtziger. An der Nostalgie allein liegt es nicht, obgleich viele der Tanzenden die Texte auswendig können. Und dann verlässt die Band schließlich doch die ausgetretenen Pfade. Für eine verschrobene Deutsche-Welle-Adaption weicht der Schlagzeuger auf einen kleinen Drumcomputer aus. Die Band rockt, der Saal tanzt und endlich ragt auch der Lead-Gitarrist heraus.
Dessen Retro-Aufreißer-Schnauzer wiederholt sich in verschiedensten Variationen auf den Panini-Sammelbildern, die er auf dem T-Shirt trägt. Fast erscheint dies wie eine Allegorie auf den langen Bart des leiernden Ska-Rock, an dem sich die Band abarbeitet. Dabei wäre es so einfach: Sich selbst nicht so ernst nehmen. Dass Trovaci das eigentlich können, hat man ja gesehen. SONJA VOGEL