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Archiv-Artikel

Der lange Weg zurück in die Vergangenheit

Eine kleine Chronologie der unendlichen Geschichte des Kampfes um die Ladenöffnungszeiten in Deutschland

1891: Durch eine Änderung der Gewerbeordnung wird mit dem „Arbeiterschutzgesetz“ reichsweit eine Beschränkung des Sonntagsverkaufs auf fünf Stunden eingeführt. Bis dahin öffneten Geschäfte in der Regel sieben Tage die Woche zwischen 5 und 23 Uhr.

1900: Das erste Ladenschlussgesetz tritt in Kraft. Geschäfte dürfen im Kaiserreich nunmehr werktags nur noch von 5 Uhr bis 21 Uhr geöffnet sein. Die sonntägliche Fünf-Stunden-Regel gilt weiterhin.

1911: Auf der Basis freiwilliger Vereinbarungen einigen sich Kaufleute in zahlreichen Städten auf einen abendlichen Ladenschluss um 20 Uhr.

1919: Mit der Republik kommt auch die Sonntagsruhe. Zudem wird mit der Verordnung über die Regelung der Arbeitszeit der Angestellten ein werktäglicher Ladenschluss von 19 Uhr bis 7 Uhr festgeschrieben.

1956: Der Bundestag verabschiedet das „Gesetz über den Ladenschluss“. Geschäfte dürfen montags bis freitags von 7 bis 18.30 Uhr und samstags bis 14 Uhr geöffnet sein.

1957: Die Öffnungszeiten am ersten Samstag im Monat werden bis 18 Uhr verlängert.

1960: Auch an den vier Adventssonnabenden wird eine Öffnungszeit bis 18 Uhr erlaubt.

Oktober 1989: Unter dem Schlagwort „Dienstleistungsabend“ wird der lange Donnerstag bis 20.30 Uhr eingeführt.

November 1989: Nach dem Mauerfall hebt Hessen als Reaktion auf den wachsenden Strom von DDR-Reisenden kurzzeitig die Ladenschlusszeiten im Einzelhandel auf.

November 1996: Die Ladenöffnungszeiten werden erneut gelockert. Wochentags darf zwischen 6 und 20 Uhr, samstags bis 16 Uhr geöffnet werden. Der lange Donnerstag entfällt.

Juli 1999: Der Berliner Kaufhof am Alexanderplatz hält mit einem Trick seine Verkaufsräume samstags und sonntags geöffnet: Er deklariert sein Angebot komplett als „Berliner Souvenirs“, die gesetzlich auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten verkauft werden dürfen. Ein Juwelier erwirkt eine Unterlassung.

Oktober 1997: Das Berliner „Kulturkaufhaus“ Dussmann umgeht mit der „Prokuristenregel“ das Ladenschlussgesetz. Leitende Angestellte dürfen in der Hauptstadt auch außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten arbeiten. Dussmann ernennt einen Teil seiner Mitarbeiter zu Prokuristen und hat fortan wochentags bis 22 Uhr sowie an sechs Sonntagen im Jahr geöffnet.

Juli 2000: Führende SPD-Minister der rot-grünen NRW-Landesregierung plädieren öffentlich für eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Ministerpräsident Wolfgang Clement spricht sich in der Bild-Zeitung für die Abschaffung des bundesweiten Ladenschlussgesetzes aus: „Die Städte und Gemeinden können das gemeinsam mit Wirtschaft und Gewerkschaften vor Ort viel besser regeln.“

Juni 2003: Die Ladenöffnungszeiten werden nochmals verlängert. Auch an Samstagen können Geschäfte jetzt bis 20 Uhr öffnen.

April 2004: Bundeswirtschaftsminister Clement schlägt vor, dass künftig die Länder die Sonn- und Feiertagsöffnungen regeln sollen. An Werktagen soll rund um die Uhr geöffnet werden können.

Juni 2004: Das Bundesverfassungsgericht lehnt eine Verfassungsbeschwerde der Kaufhof AG ab. Das grundsätzliche Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen bleibt bestehen .

Juni 2006: Der Bundestag stimmt der Föderalismusreform zu – und damit der Übertragung der Gesetzgebungskompetenzen in Sachen Ladenschluss an die Länder. Einen Monat später stimmt auch der Bundesrat zu. Damit kann jetzt jedes Bundesland eigene Regelungen einführen.

Juni/Juli 2006: Die Fußball-WM macht‘s möglich: Öffnungszeiten im Einzelhandel bis 24 Uhr.

August 2006: Als erstes Bundesland legt NRW den Entwurf eines eigenen Ladenschlussgesetzes vor – das jetzt Ladenöffnungsgesetz heißt.

PASCAL BEUCKER