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Archiv-Artikel

urdrüs wahre kolumne Erfreulich lange Staus

Dass jemand die Tageszeitungen Bremer Nachrichten und Weser-Kurier als jeweils eigenständige Produkte begreift, mag man aus der Historie ja gerade noch hinnehmen. Bemerkenswert aber schon die Reaktion einer besseren Dame, als ihr am Kiosk der Kurier als Alternative zu den nicht vorhandenen Nachrichten angedient wird: „Nee, das Revolverblatt nehme ich nicht. Außerdem hat die so ein schäbiges Papier und die Druckerschwärze färbt immer ab.“ Wie das gehen mag, wo doch beide Blätter über dieselbe Rotation gejagt werden, erschließt sich wohl nur aus der Psychologie des Vorurteils. Ich persönlich schwöre übrigens darauf, dass sich mit der taz nord bei Wechselseite Bremen bessere Papierhelme formen lassen als bei der Hamburg-Ausgabe!

Diese süßen Grübchen, dieses wissende Lächeln der ehemaligen Gangsterbraut: Warum hat mich das senatorische Protokoll der Freien und Hansestadt Hamburg nicht als Gesellschaftskolumnisten dieses Blattes auf der Einladungsliste zum Empfang für Mette-Marit berücksichtigt? Ich hätte mir für diesen Zweck eine Krawatte um den Hals gewürgt, wäre eigens zum Friseur gegangen und hätte sogar meine Tupperdose zum Abräumen vorhandener Canapés zu Hause gelassen. So bleibt mir nur die Erinnerung an Fernsehbilder vom Besuch der norwegischen Kronprinzessin und eine misanthrope Notiz in meiner Erinnerungskladde unter „Verpasste Gelegenheiten“.

Mit tiefer Befriedigung höre ich in den letzten Tagen im Hörfunk immer wieder mal Hinweise auf „erneut lange Staus“ im Elbtunnel, verursacht vornehmlich durch Auffahrunfälle. Großen Respekt zolle ich all jenen, die sich immer wieder und unter Inkaufnahme persönlicher Risiken dazu entschließen, die Mordmaschine des Molochs Verkehr durch solche Inszenierungen zum Stillstand zu bringen und so den Sinnspruch popularisieren: „Der Mensch entfalte sich zu Fuß/oder nutze Bahn und Bus!“

Hamburger und Bremer Bullizisten gemeinsam waren also daran beteiligt, festgenommene Teilnehmer eines ausgelassenen Straßenfestes mit Verdunkelungsbrillen um die Orientierung zu bringen. Ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt eigentlich gegen diese Beamten wegen Misshandlung – oder wegen aktiver Beihilfe zum Verstoß gegen das Vermummungsverbot?

Dass der Tag X des nächsten Castor-Transports weder sang- noch klanglos vor sich gehen darf, ist nicht nur bei den Bremer Stadtmusikanten ausgemachte Sache. Einmal mehr aber appelliere ich als Freund der Eisenbahn an potenzielle Hakenwerfer und Gleisverbieger, den öffentlichen Personennahverkehr vornehmlich im Elbe-Weser-Raum davon unberührt zu lassen – aus Gründen der Verkehrssicherheit, aber auch zur Aufrechterhaltung der Mobilität von uns kleinen Bahncard-Propheten.Gibt doch so viel andere Juckepunkte, wo mit bescheidenen Mitteln Großes geleistet werden kann, meint jedenfalls in Würdigung des legendären Eisenbahners Wladimir Iljitsch nachdrücklich ULRICH „HEIZER“ REINEKING

PS: Auf entsprechende Nachfrage gebe ich zu Protokoll: Die Wahre Kolumne der Vorwoche fiel nicht wegen Krankheit oder Müßiggang aus, sondern die E-Mail an die Redaktion verscholl über den AOL-Zugang in den Weiten des Internets, das auch nicht sicherer ist als ein Atomkraftwerk …

Fotohinweis: ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, lobpreist gern die Vorzüge mittelständischer Gerstenmalzerzeugnisse