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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Aus der Geschichte lernen?

■ betr.: „Vom Bosnienkrieg lernen“, taz vom 13. 5. 14

Kann man aus der Geschichte lernen? Mir scheint diese Frage nicht eindeutig beantwortbar. Zumindest im westlichen Mitteleuropa schienen nach den verheerendsten Kriegen der Menschheitsgeschichte, die sich im vergangenen Jahrtausend auf unserem blauen Planeten ausgetobt hatten, Kriege zwischen Europäern nicht mehr denkbar. Doch dann wurden die Kriege auf dem Balkan, im ehemaligen Jugoslawien, vom Zaun gebrochen und forderten Tausende von Menschenleben. „Ethnische Konflikte“ wurden wieder aus den Kellern der Geschichte geholt, mit der jeweiligen nationalen Religion, zu einem gefährlich aggressiven Gebräu gemixt, und auf ginga’s in den Kampf zur Zerstörung des föderalen Jugoslawien. Das Ziel waren ethnisch/„völkisch“ reine Gebiete, eine Kleinstaaterei, errichtet auf den Trümmern zerstörter Städte und Dörfer und Bergen von Leichen. Erleben wir nun Ähnliches in der Ukraine? Östlich orientierte russisch-orthodoxe Religions- und Lebenseinstellung gegen westlich katholische beziehungsweise libertär religionsungebundene moderne Lebensauffassung, wo die Religion des grenzenlosen Konsums den Kommunismus längst als ein Gespenst der Vergangenheit abgetan hat? Ist es da ein Trost, dass zumindest in der Europäischen Union, ihren alten und neuen Mitgliedstaaten, Frieden herrscht und zwischenstaatliche Kriege ein für allemal ausgeschlossen erscheinen? Was geschieht an den Rändern des „alten Europas“?

Die in ihren Anfängen von den meisten von uns freudig begrüßte „Arabellion“, hat Tausenden Menschen, die sich nach einer besseren Zukunft sehnten, das Leben gekostet. Syrien steht vor dem Zerfall, droht ein „failed state“ zu werden, Millionen Menschen sind auf der Flucht und finden vorwiegend rettende Aufnahme in Nachbarstaaten, die selbst, mit Ausnahme der Türkei, Not haben, ihre eigene Bevölkerung ausreichend zu versorgen. Das im Vergleich dazu reiche Westeuropa macht seine Tore dicht, lässt Tausende Rettung aus Elend, Hunger und Krieg suchende Menschen vor der „Festung Europa“ im Mare Nostrum ertrinken. Den Einsatz der europäisch paramilitärischen Organisation Frontex kann man als den Versuch sehen, das Flüchtlingsdrama militärisch zu lösen.

Kann man sich angesichts dieser humanitären Dramen in unserer Nachbarschaft noch ruhig zurücklehnen? Ich möchte das nicht. Und da ich davon überzeugt bin, dass das erste Opfer in Kriegen und weniger mörderischen Auseinandersetzungen zwischen Menschengruppen und Staaten immer die Wahrheit ist, bleibe ich bei meinem Bemühen, der Wahrheit auf der Spur zu bleiben, und favorisiere dabei die Berichte unabhängiger Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Pro Asyl, medico international oder auch die Reportagen und das humanitäre Engagement unabhängiger Journalisten, wie Jürgen Todenhöfer und anderer, sowie den zum Glück immer noch vorhandenen Qualitätsjournalismus von Tageszeitungen wie der taz oder der Frankfurter Rundschau.

Wenn „das Geheimnis der Erlösung“ in der Erinnerung steckt, dann muss gegenwärtiges politisches Handeln die Lehren aus den humanitären Katastrophen der Vergangenheit ziehen, um sie nicht in der einen oder anderen Form zu wiederholen oder gar in ihrer Grausamkeit noch zu überbieten. F. W. SIEBERT, Lüneburg

Europa jenseits von Nationalismus

■ betr.: „Die reaktionäre Internationale“, taz vom 10. 5. 14

Ich mag die Idee des vereinten Europas. Nicht wegen Glühbirnenverbots, unnötiger Subventionen, Freihandelsabkommen oder Gurkenkrümmungsnorm, sondern wegen der offenen Grenzen, des gleichen Rechts für jeden Bürger, wegen der freien Wahl des Wohn- und Arbeitsplatzes in Europa ebenso. Nicht zuletzt auch wegen des Friedens seit mehr als 60 Jahren.

Ich verabscheue kleinkariertes Denken, den zunehmenden Nationalismus auch innerhalb der EU zum Beispiel in Ungarn, aber auch den Separatismus in Katalonien, Schottland oder Flandern, die Arroganz der Reichen und deren fehlender Solidarität. In der AfD sind konservative „Früher war alles besser“- Senioren und Volkswirte vereint, die alles einer betriebswirtschaftlichen Rechnung unterziehen und nur danach bewerten. Reine Theoretiker, die heute das und morgen etwas anderes erzählen. Diese Menschen können einfach nicht begreifen, was freie, soziale und weltoffene Menschen an der EU schätzen, und dass ein Europa jenseits von Nationalismus die Zukunft ist. Diese Zukunft kann man jetzt schon in Aachen, Flensburg, am Niederrhein und anderen „Grenzgebieten“ anschauen, leben und bestaunen. Einfach toll! MARKUS MEISTER, Kassel

Ein gutes Stück Medienkunde

■ betr.: „Ich war auf Veränderung gepolt“, taz vom 13. 5. 14

Das Interview mit Bascha Mika ist auch ein gutes Stück Medienkunde. Nirgendwo fand ich bisher den Status der FR so gut dargestellt – das unverändert Singuläre daran inklusive! Dabei verwendet nur die taz den offiziellen Eigennamen Frankfurter Rundschau, während Bascha Mika familiär von Rundschau spricht. Darin liegt aber das Problem: Für die „sehr treuen Anhänger“ (Mika) war und ist ihre Rundschau eine „Allgemeine“ mit bundesweitem politischem Anspruch und Einmischung in den gesellschaftlichen und kulturellen Diskurs. Für die Investoren ist sie zunächst als regionaler Werbeträger von Interesse, wie beispielsweise die Überfülle örtlicher Todesanzeigen nach der Übernahme schmerzlich vor Augen führte.

Dass sie damit ein „linksliberales Blatt mit überregionalem Anspruch“ erhalten wollen, bleibt mit Bascha Mika zu hoffen. In der taz Bascha Mika als „eine Linke“ zu charakterisieren, ist jedenfalls unabhängig von der Rundschau-Entwicklung berechtigt, wie das Interview belegte. HEINZ GROSSMANN, Kronberg