: „Liebe, Tod und Bayern“
„Wer früher stirbt, ist länger tot`` von Marcus Hausham Rosenmüller „
Es gilt als die deutsche Kinosensation dieses Herbstes, und ist im Norden des Landes bisher fast unbemerkt geblieben. Die kleine Sommerkomödie “Wer früher stirbt ist länger tot“ haben bisher über eine Million Kinobesucher gesehen, davon waren allerdings über 900000 Bayern, denn diese sind eindeutig das angezielte Publikum. Im Freistaat wurde der Film von einem kleinen Verleih mit einer übersichtlichen Anzahl von Kopien gestartet, und als sich dann der für alle überraschende Erfolg einstellte, spielten die dortigen Programmkinos ihn natürlich auch länger als ursprünglich geplant. Die Kinos im Rest der Republik, denen Starttermine schon für Ende September zugesichert waren, hatten das Nachsehen, und so bekommen die Nordlichter den Film erst jetzt serviert. Da in ihm ausnahmslos alle mit einem saftigen Dialekt sprechen, wären für solch eine gesamtdeutsche Auswertung hochdeutsche Untertitel sicher hilfreich gewesen, aber sei‘s drum - soweit ich es verstanden habe, geht es um folgendes:
Der elfjährige Sohn des Dorfwirts Sebastian wird in eine vorpubertäre Sinnkrise gestürzt, als er erfährt, dass er seine Mutter auf dem Gewissen hat, da diese bei seiner Geburt gestorben ist. Die Laienschauspieler aus der Theatergruppe, die in der Kneipe seines Vaters üben, erscheinen ihm in seinen Träumen als das jüngste Gericht, und schicken ihn ins Fegefeuer. Dazu muss er aber erst mal sterben, und mit strenger kindlicher Logik versucht Sebastian deshalb unsterblich zu werden. Ein Zecher in der Kneipe verrät ihn, dass man in seinen Nachkommen weiterleben kann - und prompt fragt Sebastian seine junge Lehrerin, ob sie nicht mit ihm vögeln will. Ein ewiger Hippie, der von einem Berg aus in seiner Radiostation das Land mit Oldies beschallt, erzählt dem Jungen, dass berühmte Musiker unsterblich sind. Also klaut dieser sofort eine Gitarre und beginnt darauf herum zu kratzen. In reinster Unschuld bringt der Junge das Chaos ins Dorf, sodass schließlich der Discjockey sich aufhängen will und die Lehrerin mit dem Papa im Schlamm des Dorfteichs suhlen. Der beträchtliche Witz dieses kleinen Films besteht darin, dass Sebastian alles wörtlich nimmt und dann konsequent zuende denkt. Dabei kann ihm der Pfarrer zwar nicht groß weiterhelfen, denn nach dessen Rat, er solle ?glauben, glauben, glauben``, stellt er gleich die Frage aller Fragen, was das denn wohl ?konkret`` heißen würde. Dennoch ist dies ein zutiefst katholischer Film - nicht nur, weil ihn ihm ein kleiner Junge versucht, die theologischen Grundfragen nach Sünde, Tod und dem Jenseits zu knacken, sondern auch, weil er reichlich barock inszeniert ist.
Nur auf den ersten Blick bestätigt er alle Vorurteile dem „Bayernfilm“ gegenüber, den der Kritiker H.G. Pflaum aus München in der Süddeutschen Zeitung noch vor einigen Wochen als „vom Klamauk gefährdet“ gesehen hat. Die Menschen sehen zwar auch hier genauso herausgeputzt aus wie die Berglandschaften, alles ist blitzblank und selbst die gerade geschlachteten Schweine scheinen beim Ausbluten zufrieden vor sich hin zu lächeln. Doch solche makaberen Details sind dem Regisseur Marcus H. Rosenmüller nicht unabsichtlich unterlaufen, sondern er setzt sie bewusst ein. Das beginnt schon mit dem lakonischen Filmtitel, und zeigt sich spätestens bei den Traumsequenzen, die Sebastian wie eine Mischung aus surrealem Höllenspuk und Bauerntheater heimsuchen. Der Regisseur Marcus Hausham Rosenmüller lässt seinen Film übermütig in alle Richtungen sprießen, und wie alle Debütanten will er unbedingt alles zeigen, was er kann. Aber bei einer Komödie verzeiht man vieles - wenn sie denn komisch ist. Und lachen kann man hier nicht nur über die Dialoge, auf die sich die meisten deutschen Lustspiele ja leider beschränken, sondern es gelingen auch einige rein filmische Gags, die ja viel schwieriger zu inszenieren sind. Und es scheint den ganzen Film über die Sonne - das ist im November auch schon ein Grund, ins Kino zu gehen. Wilfried Hippen