FRISEUR UND PENNER : Aus dem Prekariat
„Das Problem ist, dass ich ständig mit Pennern herumhänge, die ich nicht verstehe“, sagt ein Mann mit einer Bierflasche in der Hand zu einem anderen Mann, der auch eine Bierflasche in der Hand hat, aber in der anderen Hand außerdem noch einen Stock, an dem er geht. Vielleicht liegt das Verständigungsproblem daran, denke ich, dass der mit dem Stock gute zehn Meter hinterherhinkt, und auf die Entfernung wird es tatsächlich schwierig, jedenfalls bei einer temperierten Unterhaltung.
In diesem Fall aber höre sogar ich alles, und ich stehe auf der anderen Straßenseite. Der Mann mit dem Stock antwortet etwas auf Türkisch. Vielleicht beschwert er sich darüber, dass er wie eine türkische Ehefrau hinterherlaufen muss.
Immer wieder dreht sich der vordere Mann um und beschwert sich über irgendetwas. Aber er wahrt den Abstand. Ein eigenartiges Paarlaufen. Ich meine, normalerweise laufen die Leute ja nebeneinander, vor allem, wenn sie sich unterhalten. In diesem Fall verläuft die Unterhaltung von vorne nach hinten bzw. umgekehrt, also etwas komplizierter als sonst, vor allem für den vorne, weil er sich ja immerzu umdrehen muss, um zu sehen, ob der andere schon aufgeschlossen hat oder hängen geblieben ist.
Am Kottbusser Damm verliert sich ihre Spur, und ich gehe zum Kuaför „Star“. Mein Berber ist nicht da. Nur ein Ersatzberber. Ich frage ihn, ob er Fup die Haare schneiden kann. Fup hat eine Zipfelmütze auf und starrt den Berber aus seinem Kinderwagen heraus unverwandt an. Der Berber lächelt verbindlich. Na gut, der Witz ist schon mal gründlich krepiert. Ich setze mich in den Friseurstuhl. Der Berber greift zum Rasierapparat mit zwei Einstellungen.
Danach sehe ich irgendwie rattig aus. Meint jedenfalls Katja. Ich muss jetzt immer ein paar Meter hinter ihr herlaufen.
KLAUS BITTERMANN