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Archiv-Artikel

Ein Dorf verschwindet

KAHLSCHLAGPOLITIK In der kommenden Woche wird ein Gericht darüber verhandeln, ob der Abriss des Hamburger Fischerdorfes Altenwerder zugunsten eines Containerterminals rechtswidrig war. Verhandelt wird damit auch die Hamburger Politik einer aggressiven Hafenexpansion, der als Nächstes das Dorf Moorburg zum Opfer fallen könnte ➤ Schwerpunkt SEITE 43 - 45

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Natürlich wird der Hamburger Hafen nächste Woche nicht dichtgemacht. Wenn am Dienstag vor dem Verwaltungsgericht der Hanse- und Handelsstadt 19 Jahre nach Klageerhebung die Hauptverhandlung über die Rechtsgrundlage der Hafenerweiterung beginnt, ist das kaum mehr als eine Posse. Wer mag, kann das aber auch als Justizskandal betrachten.

Das Hamburger Fischerdorf Altenwerder an der Süderelbe wurde 1998 abgerissen, seit 2002 steht dort das modernste Containerterminal Europas. Dem benachbarten Obstbauerndorf Moorburg ist immer noch bedroht, es könnte das gleiche Schicksal ereilen. Kein Gericht wird anordnen, Altenwerder wieder aufzubauen; ein Gericht aber könnte anordnen, Moorburg zu verschonen.

Die Hamburger Hafenerweiterungsfantasien der 1970er-Jahre sind inzwischen obsolet, die Umschlagsprognosen wurden seit der Weltwirtschaftskrise 2007/2008 drastisch reduziert, zum Teil halbiert. Zugleich hat sich die Effizienz in der Nutzung von Logistikflächen in etwa verdreifacht – Flächenfraß ist eine Ideologie aus Wirtschaftswunderjahren, kein Rezept in Zeiten globalisierten Warenverkehrs.

Verwaltungsgerichte sind nicht zuständig für das Trauern über die Vernichtung eines Dorfes, eines Lebensraumes. Sie sind bestenfalls zuständig für die Beurteilung, ob das zu Recht oder zu Unrecht geschah. Daraus erwachsen können Leitlinien für den künftigen Umgang einer großen Hafenstadt mit Flächen, mit Natur, mit Menschen. Und mit Glück wird dieser Umgang pfleglicher werden als bisher.