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ABWEHR Antibiotika wirken meist durchschlagend. Die sorglose Anwendung macht Keime resistent, Wirkung ade. Mit Thymian, Salbei & Co. passiert das nicht

Neunzig Prozent aller Infekte werden durch Viren ausgelöst, nur zehn Prozent durch Bakterien. Bei viralen Infekten helfen keine Antibiotika, natürliche Pflanzenstoffe können dagegen zur Gesundung beitragen

VON HEIDE REINHÄCKEL

„Thymus vulgaris, Salvia und Tropaeolum majus.“ Hätten sich die pflanzenkundigen Vampir-Nerds in Jim Jarmuschs Film „Only Lovers Left Alive“ auch über Kräuter mit Erkältungsbekämpfungspotenzial unterhalten, hätte das vielleicht so geklungen. Denn das Arsenal der Natur kennt zahlreiche Pflanzen, die im Winter bei Erkältungen helfen können. „Ich empfehle bei grippalen Infekten gerne ein Fertigarzneimittel mit Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel“, sagt Daniela Hoffmann von der Berliner Zietenapotheke. „Beide Pflanzen enthalten als Wirkstoffe Senföle, die Viren und Bakterien bekämpfen.“

Neunzig Prozent aller Infekte werden durch Viren ausgelöst, nur zehn Prozent durch Bakterien. Bei viralen Infekten helfen keine Antibiotika, natürliche Pflanzenstoffe können dagegen zur Gesundung beitragen. „Bei Husten ist Thymian hilfreich, der zudem krampf- und schleimlösend wirkt und zu den stärksten natürlichen antibakteriellen Substanzen zählt. Hier kann man beispielsweise einige Tropfen ätherisches Öl bei der Dampfinhalation verwenden“, rät die Apothekerin.

Bei Halsschmerzen helfe Salbei, der auch antibakteriell wirkt, sowohl als Tee oder als Aufguss zum Gurgeln. Bei ersten Anzeichen einer Erkältung könne man zur Unterstützung des Immunsystems aber auch zu Propolis greifen, dem „Bienenkitt“. Mit den Inhaltsstoffen dieser harzartigen Substanz werden im Bienenstock Bakterien,Pilze und andere Mikroorganismen im Zaum gehalten – das macht sich die Naturmedizin schon seit Langem zu Nutze.

Die Immen profitieren von einem Effekt, den auch Rainer Schmidt, Arzt mit eigener Praxis, als Grundsatz kennt: „Erkrankungen durch Viren und Bakterien sind alltäglich, da der Kontakt mit ihnen unvermeidbar ist“. Von entscheidender Bedeutung sei jedoch die „Immunitätslage des Einzelnen“. Eine entscheidende Rolle spiele dabei das körpereigene Schleimhautsystem mit einer Fläche von rund 1.000 Quadratmetern, das von Mund und Nase bis zum Enddarm reicht. „Es muss sich täglich mit Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilzen auseinandersetzen. Zudem tragen auch wir Menschen unzählige Mikroorganismen in uns.“

Für den Kinderarzt und Allergologen ist die lebenslange Auseinandersetzung zwischen dem Immunsystem und dem System der Mikroorganismen wichtig, denn dabei geht es um nichts anderes als eine natürliche Immunisierung. Deshalb versteht er einen Virusinfekt auch als Regulierungsprozess, bei dem man den Körper mit natürlichen Methoden unterstützen sollte: „Bei ersten Symptomen wie eine laufende Nase, Husten und geschwollene Mandeln, die Anzeichen für eine Auseinandersetzung des Organismus sind, kann man in dieser Phase das Immunsystem durch Dampfinhalation unterstützen – zum Beispiel mit Kamille, die entzündungshemmende Funktion hat“. Ein weiterer wichtiger Aspekt seien Kräutertees je nach persönlichen Geschmack: Salbei, Ingwer, Thymian oder Verbene. „Ganz besonders gut ist auch Cistustee, der eine Schutzfunktion für die Zellen hat. Eine Tasse Cistustee täglich im Winter stärkt die Abwehrkräfte.“ Aber zuallererst benötige der Körper Ruhe und Schlaf, auch wenn dies entgegengesetzt zu den hohen Anforderungen der gegenwärtigen Arbeitswelt stehe.

Schmidt, der seit 2010 im Vorstand der Hufelandgesellschaft tätig ist, kritisiert vehement, dass bei der Diagnose grippaler Infekt häufig der Griff zum Antibiotikum als „schneller Pille der Pharmaindustrie“ vorherrscht. „Antibiotika greifen störend in das ausgewogene Gleichgewicht innerhalb der Bakteriengemeinschaften ein und zerstören darüber hinaus die Tight Junctions genannten Haftkomplexe der Darmschleimhautwand des Menschen“. Die würden eine wichtige Aufnahme- aber auch Barrierefunktion besitzen. Einer Universitätsstudie zufolge dauere es ein halbes Jahr, bis nach der fünftägigen Verabreichung von Antibiotika der Verdauungstrakt regeneriert sei. „Antibiotika zerstören die Bakterien in der Darmflora – dabei sind diese enorm wichtig, da sie die Schleimhautzellen ernähren, Vitamine erzeugen und Energie liefern, da die Darmwände nicht vom Blutkreislauf versorgt werden“, so Schmidt.

Zudem kommt das Problem der Resistenz dazu: „Es braucht rund zehn Jahre, um ein neues Antibiotikum zu entwickeln. Mikroorganismen verändern in der Zwischenzeit jedoch ihre Gestalt, sodass ein hoher Beschleunigungsdruck entsteht“. Das Problem der Resistenz werde in der Politik verkannt, weshalb er für den verstärkten Einsatz bewährter, traditioneller Medizin plädiere. Im Notfall könne man dann auf Antibiotika zurückgreifen, die auch wirklich etwas bewirken.

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