: Die Fähigkeit zu „atmen“
LEHM II Einheitliche Richtlinien des Dachverbandes Lehm sorgen für ein größeres Vertrauen gegenüber einem der ältesten aller Baustoffe
Als sich der Dachverband Lehm e.V. 1998 gegründet hatte, bestand der Zusammenschluss aus einem Dutzend Lehmbauexperten aus ganz Deutschland. Sein Anliegen war es, die Akzeptanz für Lehm zu erhöhen.
Mittlerweile zählt der Verband 275 Mitglieder. Laut Vorstand Stephan Jörchel erfreut sich Lehmbau heute „einer stetig wachsenden Nachfrage, nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten, sondern auch auf Grund seiner ästhetischen Qualitäten“. Jörchel sieht den Auslöser für das größere Interesse auch in den vom Verband herausgegebenen „Lehmbau Regeln“, die seit ihrer Einführung in die Musterbauordnung der Länder die baurechtliche Grundlage zum Bauen mit Lehm darstellen. Mittlerweile sei es, so Jörchel, „nicht mehr exotisch, mit Lehm zu bauen“, vielmehr sei Lehm heute ein „allgemein bekannter und anerkannter Baustoff“. Lehm wird dabei in unterschiedlichen Funktionen in jeweils unterschiedlichen Arten eingesetzt: Wandkonstruktionen können beispielsweise vollständig aus Lehm als Stampflehm oder in Kombination mit Holz als Fachwerk errichtet werden. Heute weit verbreitete Anwendungsmöglichkeit sind Putze aus Lehm (Stroh- und Leichtlehm), die auf allen Untergründen angebracht werden können.
Die Vorteile des Lehms sind die, wie es in den Verbraucherinfos des Dachverbandes Lehm heißt, „unbestritten günstige Primärenergiebilanz“. Diese besagt, dass für das zu verbauende Produkt Lehm wenig Beschaffungs- und Bearbeitungsenergie nötig ist, ganz im Gegensatz zum Beispiel zu Ziegel oder Beton. Das bedeutet für den Bauherrn, dass das Baumaterial Lehm laut Aussage des Verbandes lediglich einen „Preiswert von unter 10 Prozent der Baugesamtkosten“ einnimmt.
Ein weiterer Vorteil ist seine Fähigkeit zu „atmen“. Damit ist die Sorptionsfähigkeit gemeint: In der Luft enthaltener Wasserdampf lagert sich an den Porenwänden im Lehmbauteil ab, was bei Veränderungen im Innenraumklima wieder an die Raumluft abgegeben wird. Wird er richtig behandelt, ist Lehm weitestgehend schimmelresistent.
Diese Vorteile kann auch Maurer Christian Kaiser bestätigen. Der 37-jährige Hamburger bietet mit seinem Betrieb „plan-eben“ nicht nur Lehmbau-Dienstleistungen an, er lebt auch aus Überzeugung in einem neu erbauten Haus mit Lehmputz und Lehmboden. „Ich könnte mir nichts anderes vorstellen“, sagt er und zählt auf, was ihm an seinem Haus mit Lehmputz so gut gefällt: „Wir haben hier eine selbstregulierende Luftzirkulation, eine angenehme Strahlungswärme und unsere Kinder können auf dem Lehmboden skaten nach Lust und Laune.“
Dass die benachbarten Häuser im Norderstedter Neubaugebiet nicht mit Lehmbautechniken errichtet wurden, erklärt sich Kaiser so: „Wahrscheinlich ist den Leuten der Lehm zu einfach.“ Auch wenn Kaiser sich über mangelnde Aufträge, vor allem in der privaten Altbausanierung nicht beschweren kann, erlebt er häufig eine Skepsis.
„Oft sind die Leute vom Preis einer Sanierung abgeschreckt und sehen nicht die Nachhaltigkeit der Investition“, so Kaiser, der grob geschätzt für die Innensanierung eines acht mal acht Meter großen Einfamilienhauses auf 20.000 Euro kommt. Ein Betrag, der sich nicht nur durch gesteigertes Wohlbefinden amortisiere, sondern auch durch die natürlich-dämmende Funktion des Lehms, der auch die Heizkosten minimiert. „Was gibt es Besseres“, schwärmt der Lehmliebhaber, „als unabhängig von Energiepreisen zu sein?“ DARIJANA HAHN
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