: „Jetzt muss der Türke schwitzen“
COMEDY Bülent Ceylan kann als prolliger Hasan mit den Arschbacken Paranüsse knacken. Ein Gespräch über Klischees
■ Herkunft: Bülent Ceylan wird am 4. Januar 1976 in Mannheim geboren. Er hat drei ältere Geschwister. Seine Mutter Hilde ist Deutsche, sein Vater Ahmet kam schon in den Fünfzigerjahren als damals so genannter Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. Heute besteht Ceylans Bühnenprogramm zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Witzen über die Intregrationsleistung seines Vaters – dafür wurde er von Deutschtürken schon per E-Mail bedroht.
■ Ausbildung: Ceylan wächst auf im Mannheimer Arbeiterviertel Waldhof, er macht dort 1995 Abitur und beginnt ein Studium der Politologie und Philosophie. Parallel versucht er sich als Sänger von Hardrock-Bands, die Gist oder Maine heißen. Schnell beginnt er auch als Comedian aufzutreten und wird mit seinen dialektgestützten Figuren wie dem deutschtürkischen Proleten Hasan oder dem rassistischen Hausmeister Mompfreed Bockenauer zum lokalen Kultkomiker in Mannheim und Umgebung. 2001 gewinnt er den Bielefelder Kabarettpreis, ein Jahr später den Baden-Württemberger Kleinkunstpreis. 2010 bekommt er den Civis Medienpreis für Integration verliehen.
■ Präsenz: Das Fernsehen entdeckt Ceylan erst spät, aber dafür umso erfolgreicher. Im Mai 2009 schafft RTL mit einer Aufzeichnung einer Show vor 10.000 Zuschauern in der Mannheimer SAP-Arena die beste Tagesquote. Im selben Jahr bekommt Ceylan den Deutschen Comedy-Preis als Bester Newcomer. Seit dem 19. Februar ist er nun wöchentlich mit „Die Bülent Ceylan Show“ auf Sendung.
INTERVIEW THOMAS WINKLER UND BERND HARTUNG (FOTOS)
taz: Herr Ceylan, gestern sind Sie noch vor fünftausend Menschen aufgetreten …
Bülent Ceylan: Und heute war ich schon joggen.
Vorbildlich.
Ja, ich muss mich fit halten. Im Dezember hab ich zu viel gegessen, das soll jetzt wieder runter. Wenn man fünf Tage am Stück so große Hallen macht, muss man fit sein.
Man muss fit sein, um zweieinhalb Stunden Witze reißen zu können?
Klar. Und damit ist es ja auch nicht getan. Danach kommt noch die Autogrammstunde, und die kann dauern. Früher hab ich das manchmal bis zum Ende durchgezogen, bis keiner mehr kam. Dann hat das Autogrammeschreiben schon mal drei Stunden gedauert, länger als der Auftritt selber.
Und danach geht’s sofort brav ins Bett?
Am Samstag haben wir mit dem Team noch ein bisschen Poker gespielt. Man kann nicht gleich ins Bett.
Zu viel Adrenalin?
Wenn man vor fünftausend Leuten steht und gefeiert wird, ist das natürlich ein tolles Gefühl. Das ist megageil, das hebt an. Das ist einfach Wahnsinn. Vor allem, wenn man sich überlegt, dass es noch gar nicht so lange her ist, da hätte ich nicht mal geglaubt, dass Comedy in so großen Hallen überhaupt funktioniert – und mittlerweile ist das fast schon Standard. Das ist Rock ’n’ Roll.
Sex and Drugs inklusive?
Die Frauen werfen jedenfalls mit Schlüpfern. Andere halten Schilder hoch: „Bülent, ich will ein Kind von dir!“ Da hat sich doch einiges verändert: Oder hätten Sie sich vorstellen können, dass politische Kabarettisten früher mit Unterwäsche beworfen worden wären?
Es gibt Groupies?
Ja, die gibt es. Nicht dass der Künstler dann auch mit denen ins Bett gehen würde. [lacht] Nein, das ist nicht der Fall.
Und die Drogen?
Ich bin Kamillentee-Rocker. Ab und zu vielleicht ein Bailey’s oder ein Bier. Ich bin kein Trinker, aber das sind die wenigsten Comedians. Bei den politischen Kabarettisten allerdings, da gibt es schon einige, die gut was vertragen können.
An Rockkonzerte erinnert ja auch, dass die Leute in Massen kommen, um Witze zu hören, die sie schon kennen – wie zu einer Band, die ihre Greatest Hits spielen muss.
Ja, das ist krass. Natürlich spiele ich zwei Jahre lang nicht dasselbe Programm, das verändert sich im Laufe der Zeit und ich improvisiere immer wieder. Aber tatsächlich gibt es Leute, die kommen fünf, sechs Mal ins selbe Programm. Früher hat man gedacht, wenn die Leute das Programm aus dem Fernsehen kennen, kommen sie nicht zum Auftritt. Im Gegenteil: Dann kommen die Leute erst recht. Und dann lauern sie fast auf gewisse Gags.
Ihr Publikum lauert vor allem auf einen Gag: Die von Ihnen gespielte Figur Hasan behauptet, er könne Paranüsse mit seinen Arschbacken knacken.
Der Gag ist ja schon zehn Jahre alt, wurde zuerst Kult in Mannheim und war irgendwann auch wieder vorbei. Dann kam das Fernsehen, und der Gag war plötzlich wieder wie neu. Heute erzähl ich überall schon lange nicht mehr die ganze Geschichte, die dazu gehört, sondern lasse Hasan nur noch den ersten Satz sagen: „Ich kann Paranüsse knacken mit Arschbacke“ …
… und schon stürmen Zuschauer zur Bühne und überreichen Ihnen Paranüsse, Walnüsse, Erdnüsse …
Manche bringen auch Kokosnüsse mit. Manche werfen die Nüsse auch. In Erlangen hat mich einer voll im Auge getroffen. Man sieht ja nicht, was da angeflogen kommt, weil man in die Scheinwerfer schaut. Ich hab schon überlegt, ob ich vor diesem Satz nicht lieber erst einmal einen Helm aufsetzen sollte.
Dann haben Sie ja Glück gehabt, dass noch keine Kokosnüsse geworfen wurden.
Ja, das hab ich auch schon gesagt.
Fühlt man sich da wie ein Affe im Zoo, der mit Bananen beworfen wird?
Ach ja, das darf man nicht so eng sehen. Ich glaube, die schmeißen die Nüsse eher deshalb, weil sie sich nicht trauen, vor an den Bühnenrand zu gehen. Für Zuschauer ist das eine große Überwindung, vor vielen Leuten auf die Bühne zu kommen. Aber als Affe fühle ich mich da nicht.
Man könnte den Akt des Werfens allerdings auch interpretieren als Abwehr gegen jene Figuren, die Sie auf der Bühne darstellen.
Das ist jetzt aber arg weit hergeholt. Ich hab zwar auch mal Psychologie gehabt, aber das war noch in der Schule. Nein, ich glaube nicht, dass es da um die Abwehr von Ängsten geht. Die freuen sich halt, die haben das schon gesehen und machen es nach, weil es eine Gaudi ist. Es geht eher darum, das Programm durcheinanderzubringen. Der Zuschauer liebt es ja auch, wenn eine Panne passiert. Das schafft Authentizität. Natürlich spiele ich Rollen, aber man muss versuchen authentisch zu bleiben auf der Bühne, man selbst zu bleiben. Ich bin auch immer Bülent, wenn ich Geschichten erzähle. Das ist schließlich kein Theater, in dem man seine Rolle durchziehen muss. Die Leute sehen immer den Bülent hinter den Rollen, und das ist wichtig.
Darauf bezieht sich ein anderer Spruch, der fast immer in Ihrem Programm auftaucht: „Die Leute haben bezahlt, und die Leute wollen den Türken schwitzen sehen.“
Eigentlich ein ziemlich harter Satz, was?
Allerdings.
Man muss dazu meine Anfänge sehen. Da wusste keiner, wer ich war. Die Leute haben den Namen Bülent Ceylan gelesen und einen Türken erwartet, der rumprollt: „Weissu, produzier mich net!“ Die wollten Bauchtanz sehen, die haben Klischees erwartet. Der Satz kehrt das um, indem er ein deutsches Klischee benutzt: Der Deutsche hat bezahlt, jetzt will er auch was sehen für sein Geld, jetzt muss der Türke schwitzen.
Und der Türke schwitzt.
Allerdings. Das ist harte Arbeit. Das schafft man nur mit Ehrgeiz. Warum sind denn so viele Türken im kreativen Bereich erfolgreich? Warum ist Fatih Akin der aktuell erfolgreichste deutsche Filmregisseur? Weil er schwitzt für seinen Erfolg! Ich will mich nicht beschweren, aber wir Türken müssen zehnmal härter arbeiten, um Erfolg zu haben. Ich bin zwölf Jahre dabei und jetzt kriege ich endlich meine eigene Fernseh-Show. Warum erst jetzt? Weil es Kaya Yanar gab. Wir verstehen uns gut, wir haben genau darüber schon geredet, und Kaya sieht das auch so: Die Medien hatten ihren türkischen Komiker gefunden.
Der Platz war also besetzt.
Ja, so ist das in Deutschland: Wir haben doch schon unseren Türken – das war echt so. Den Spruch habe ich immer wieder gehört: Wir ham doch schon ’nen Türken. Was ist das denn für ein Argument? Dann könnte ich auch sagen: Wir haben doch schon einen deutschen Komiker: Otto. Was brauchen wir da noch Michael Mittermeier?
So schlimm?
Ja. Aber das kam vor allem aus den Medien. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als das Publikum zu überzeugen. Als ich 2009 den Deutschen Comedypreis als Bester Newcomer gewonnen habe, da stand ich schon mehr als zehn Jahre auf der Bühne. Irgendwann kommen die eben nicht mehr an einem vorbei. Es hat lange gedauert, aber jetzt bin ich da, wo ich hinwollte.
Dorthin sind Sie dank eines Alleinstellungsmerkmals gekommen: Sie sind der einzige deutsch-türkische Comedian, der mit Hasan den aggressiven, potenten Ghettotürken auf die Bühne stellt.
Ja, das stimmt.
Außerdem trauen Sie es sich als einziger deutscher Komiker, gut auszusehen.
Das war aber ein Hindernis am Anfang. Ein Kollege, ich sag den Namen jetzt nicht, hat mal zu mir gesagt: Andere müssen mit Texten überzeugen, du siehst einfach geil aus. Mir wurde auch schon empfohlen, doch lieber modeln zu gehen.
Nehmen Sie also den Deutschdeutschen ihre Ängste, indem Sie ihnen den fremden, unheimlichen Türken auf die Bühne bringen?
Ja, natürlich. Man stellt eigentlich ein Vorurteil auf die Bühne, aber das Klischee ist in dem Moment gebrochen, in dem die Leute drüber lachen. Würden die Zuschauer Hasan im Dunkeln auf der Straße begegnen, hätten sie Angst vor ihm. Aber wenn er vor ihnen auf der Bühne steht, stellen sie fest: Eigentlich ist der ganz sympathisch. Der ist doch eigentlich ein Loser, den möchte man am liebsten in den Arm nehmen, den armen Kerl.
Vor wem haben die Leute größere Angst – vor dem prolligen Hasan oder vor dem gut integrierten Bülent?
Wenn ein Türke Bundeskanzler würde, dann fänden das einige wahrscheinlich auch nicht so prima. Da wären die Türken dann doch zu weit gegangen. [lacht] Aber mehr Angst haben sie wahrscheinlich vor dem krassen, dem unberechenbaren Machotürken, der jede Blondine dumm anmacht, die vorbeiläuft. Diese Angst ist ja auch nicht ganz unbegründet, jeder kann schließlich mal durchdrehen. [lacht] Aber ich würde jetzt auch nicht behaupten wollen, dass jeder von denen im Grunde seines Herzens so nett wie Hasan ist. Ängste sind schon auch ganz hilfreich. Ich persönlich würde nachts auch nicht durch Berlin-Marzahn laufen.
Kritik an Ihnen kam zuletzt eher von Deutschtürken.
Ja, da finden manche, ich würde meinem Vater gegenüber nicht genug Respekt zeigen. Über seinen Vater macht man sich nicht lustig.
Was antworten Sie denen?
Denen kann ich nur sagen: Aber das ist doch mein Vater.
Und was sagt Ihr Vater dazu?
Der sagt: Spinnen die? Das sind doch nicht meine Kinder. Da kann ich dann schon wieder den nächsten Gag draus machen: Obwohl, weiß ma’ net, ich weiß doch nicht, wo mein Vater überall war. Mein Vater hat Humor, sonst würde ich das nicht machen. Man kann es eben nicht allen recht machen. Früher hab ich den Papst imitiert, da sind in Freiburg doch tatsächlich mal vier, fünf Deutsche aufgestanden, haben „Unverschämtheit!“ gebrüllt und sind gegangen. Aber ich muss zugeben, Türken sind schon empfindlicher. Allerdings darf man das auch nicht über einen Kamm scheren. Bei mir sitzen auch Goldkettchentürken im Publikum und lachen sich schlapp über Hasan. Die können auch über sich selber lachen. Und deshalb noch ein Satz aus meinem Programm: Wer integriert sein will, der muss auch über sich selber lachen.
Sie scheinen mittlerweile eine große Angst davor entwickelt zu haben, falsch verstanden zu werden. Nachdem Sie Mompfreed, den rassistischen Hausmeister, gespielt haben, weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass Sie für Respekt und Antirassismus stehen.
Bei mir sitzen – im Gegensatz zum politischen Kabarett – auch Kinder im Publikum. Als der erste Achtjährige fragte, ob ich was gegen Ausländer hätte, habe ich mich noch gewundert. Mittlerweile finde ich die Frage berechtigt. Manchmal muss man einfach ganz klar Gesicht zeigen, damit wirklich jeder Zweifel beseitigt wird. Deswegen lege ich manchmal den Komiker beiseite und sage ganz klar: Das ist Bülent, so denke ich.
Und das ist nötig?
Es ist doch so: Wenn mal zwei, drei Türken Stress machen, dann sind es gleich alle Türken. Das, was ein paar wenige verbocken, das muss ich gerade rücken. Wenn Sarrazin ein Buch schreibt, dann muss ich es wieder gutmachen.
Im Herbst, als die Debatte um das Buch von Thilo Sarrazin hochkochte, hat man nicht viel von Ihnen gehört dazu.
Nicht, dass es da nicht jede Menge Anfragen gegeben hätte. Aber erst einmal bin ich Komiker. In politische Diskussionen mische ich mich nicht ein, erst recht nicht, wenn ich nicht genau weiß, worum es geht. Ich will mich erst einmal informieren, bevor ich was sage. Ich habe das Buch nicht gelesen. Ich will es auch gar nicht lesen, ich habe keinen Bock. Was ich in der Presse gelesen habe, das reicht mir.
Jetzt taucht Sarrazin immerhin in Ihrem Bühnenprogramm auf.
Ja, aber doch nur einmal, ganz kurz. Ich habe die Debatte ja verfolgt. Ich habe ihn im Fernsehen gesehen und mir gedacht: Nein, sympathisch ist der mir nicht, so kalt und trocken. Auf mich wirkt der gefährlich. Dann muss ich mich einfach darüber lustig machen. Aber auf eine zweistündige Diskussion über oder gar mit ihm würde ich mich nie einlassen. Der würde doch erst einmal fragen: [imitiert schnarrenden Hitler-Ton] Haben Sie mein Buch gelesen?
Müsste Sarrazin nicht eigentlich eine größere Rolle in Ihrem Programm einnehmen?
Nein, Politik ist nicht mein Ding.
Sie haben mal Politologie studiert, und jetzt ist Politik nicht Ihr Ding?
Ich rede von der Bühne. Da will ich die Leute in erster Linie zum Lachen bringen, und ab und zu setze ich mal eine kleine politische Stichelei. Das reicht. Vielleicht ist das in zehn Jahren mal anders, aber im Moment will ich die Menschen unterhalten und von ihrem Alltag ablenken. Die Leute sehen ständig Talkshows, lesen Zeitung, die können es einfach nicht mehr sehen.
Politik ist also ein Stimmungskiller?
Nein, nicht unbedingt. Ich sehe mein Programm ja auch nicht als unpolitisch. Wenn ich erzähle, dass meine Mutter katholisch ist und mein Vater Moslem und dass die beiden seit vierzig Jahren verheiratet sind, dann kriege ich dafür Applaus. Ich kriege E-Mails, in denen steht: Du bist der erste Türke, den ich mag.
Sie spielen den Integrationsbeauftragten?
Klar, sehen wir der Sache doch ins Auge: Der Mannheimer muss sich besser integrieren. Der müsste überhaupt mal Deutsch lernen.
Dialekt funktioniert ja immer. Ohne geht Comedy wohl gar nicht?
Das ist eben so: Wenn ein Türke schwäbelt oder ein Schwarzer Bayerisch spricht, dann ist das einfach komisch. In Berlin muss ich nur sagen: Ick liebe dir, wa. Wenn ich in Wien auftrete und versuche zu wienern, dann liegen die Leute am Boden. Das ist Integration: Plötzlich bin ich einer von denen.
In erster Linie sind Sie aber „der Türke“.
Klar, die Menschen sehen mich als Türke, ich sehe nun mal nicht aus wie ein Deutscher. Und ich fühle da auch eine Verantwortung. Türken sagen zu mir: Einer von uns hat es geschafft. Denen ist völlig egal, dass ich kaum Türkisch kann und einen deutschen Pass habe. Für die bin ich Türke. Ich profitiere ja auch davon, dass ich beide Kulturen in mir trage. Auch wenn ich die Sprache kaum spreche, habe ich trotzdem viel mitbekommen. Respekt vor dem Alter zum Beispiel, dass man einer älteren Dame mal die Tür aufhält. Das finden die großartig: Ihr Türken seid so hilfsbereit, sagt die alte Dame dann, die deutschen Jugendlichen haben ja keinen Respekt mehr.
Haben Sie nie das Gefühl gehabt, zwischen den Kulturen zerrissen zu sein?
Doch, als Kind. Da wurde ich Billy genannt und habe meine türkische Identität verleugnet. Aber irgendwann habe ich festgestellt: Das ist doch toll, das macht mich individuell, und von da an habe ich mich wieder Bülent nennen lassen. Das war zwar schwierig als Teenager, aber ich habe das geschafft, indem ich meine Außenseiterrolle ausdrücklich angenommen habe. Ich habe nicht geraucht, weil alle das gemacht haben, ich habe niemals irgendwelche Drogen genommen. Ich habe nicht mal Jeans getragen. Nicht, dass mir die nicht gefallen hätten, aber ich wollte nicht, weil alle Jeans getragen haben.
Sie waren also nicht der Klassenclown?
In der Schule war ich eher ruhig. Aber ich habe zuhause meine Mutter zum Lachen gebracht. Und ich habe nachgemacht, was ich von Emil Steinberger im Fernsehen gesehen hatte.
Fällt die Integration in der Provinz, in einer kleinen Stadt wie Mannheim, womöglich leichter?
Ich glaube nicht. Bei uns in Mannheim gibt es genauso Parallelgesellschaften wie in Berlin. Und ich hatte auch Schulkameraden, die mittlerweile an einer Überdosis gestorben sind.
Im vergangenen Jahr sind Sie zusammen mit Murat Topal und Fatih Çevikkollu durch den Osten Deutschlands getourt. Das Programm hieß: „Wir sprechen Deutsch“. Wie war’s?
Prima. Wir haben allerhand Vorurteile abbauen können.
Bei den Ostlern?
Bei uns selbst.
Was musste denn da revidiert werden?
Erst einmal haben wir festgestellt, dass der Ossi über sich selber lachen kann. Ich bin da rausgegangen und habe denen erst mal gesagt: Heute geht’s ab, mal sehen, wie integriert ihr seid. Da sind die schon abgegangen. Und natürlich haben wir uns, bevor wir da rübergefahren sind, Gedanken gemacht über die Nazischeiße. Wir haben uns schon gefragt, ob wir so einfach nach dem Auftritt noch ein Bier trinken können in der Dorfkneipe. Es gibt ja schließlich Clips auf Youtube, in denen du fünfzehn Nazis siehst, die bei Serdar Somuncu in die Show einmarschieren. Allerdings liest der ja auch aus „Mein Kampf“ vor. Bei uns hat sich das jedenfalls als völliger Quatsch herausgestellt.
■ Thomas Winkler, 45, ist sonntaz-Autor, Franke und lebt in Ostdeutschland
■ Bernd Hartung, 43, ist Fotograf und freute sich, hinter Ceylans Haaren die Aussicht auf seinen neuen Wohnort Frankfurt zu genießen