piwik no script img

■ QuerspaltePlausch am Kaminfeuer

„Bleib geschmeidig“, heißt eine momentan unter Acht- bis Zwölfjährigen kursierende Redensart. Ein Indiz, daß die Forderung, mobil und flexibel zu sein, um in der Welt von heute klarzukommen, von der jüngeren Generation längst internalisiert worden ist. Und was machen die alten Säcke? Wenn Geschmeidigkeit etwas mit Ranschmeißen zu tun hat, wissen die meisten von ihnen längst, wo's längs geht. Wolf Biermann zum Beispiel. Sein politischer Standpunkt richtete sich stets danach, wo die Kamera ist, wie Kollege Droste einmal sinngemäß formuliert hat. Aber, dachte sich der kritischste und verfolgteste Regimekritiker aller Zeiten neulich, man muß sich steigerungsfähig zeigen, will man im Gespräch bleiben und nahm die Einladung der CSU an, als Gast an der Klausurtagung der Bonner Landesgruppe im Wildbad Kreuth teilzunehmen. Dabei wird er es nicht bewenden lassen. Vorweg tippe ich auf etwa drei Seiten in einer der nächsten Spiegel-Ausgaben, wo Biermann ausführlich herummärt und mit antithetisch gesetzten Flottvokabeln darlegt, warum er Anfang Januar nach Oberbayern reisen wird.

Und dann wird der Tag kommen. Nein, nicht der Tag. Beim „sogenannten Kaminabend“ (dpa) wird Biermann den CSUlern „als Gesprächspartner zur Verfügung stehen“. Obwohl „Ansprechpartner“ noch schöner, weil ekliger gewesen wäre, sollten wir uns auch so zufrieden geben und mal überlegen, was passieren wird, wenn's Kaminfeuer knistert. Wird der Barde ein paar Lieder aus der Mundorgel spielen? Werden alle gemeinsam im Schwarzbuch des Kommunismus schmökern? Werden sie über die Strauß-Schalck-Golodkowski-Connection diskutieren? Und wer darf Häppchen und Enzian servieren? Lutz Rathenow oder Martin Walser?

So viele Fragen und trotzdem ist sicher: Das alte Lagerdenken ist endgültig passé, die Berührungsängste der ewiggestrigen Bedenkenträger haben nicht mal mehr die Lebenserwartung einer Schneeflocke in der Hölle. Oder so ähnlich. Alles ist gut, paßt, wackelt und hat Bergluft. Dietrich zur Nedden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen