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Archiv-Artikel

Wenn der Hot Spot zusammenbricht

OSTFRIESLAND Ab Oldenburg wird getrommelt, so umschreibt eine Prä-Ostfriesenwitzhäme die Übermittlung von Nachrichten in Deutschlands ländlichem Nordwesten. Ganz so schlimm ist es nicht, doch Surfen auf dem Acker kann sehr holprig sein

Mitten auf der Wiese, etwa zwei Kilometer von der Nordseeküste vor Ditzum, steht ein sogenannter KVZ

Der Tag beginnt für Bauer Hensmann aus Weener nicht etwa mit melken oder Hühner füttern. Zuerst surft er. Selbstverständlich fragt er die Wetterdaten ab, dann die Nachrichten, dann sucht er nach landwirtschaftlich relevanten Informationen. Hensmann ist 72 Jahre alt und im Umgang mit Laptop und Internet macht ihm keiner was vor. „Man muss immer auf dem Laufenden bleiben“, sagt der alte Herr.

Das Interesse am Computer ist auf dem ostfriesischen Land genauso groß wie in Tokio oder New York. Für die regionale Wirtschaft ist das Internet die Grundlage des Erfolges. Schließlich ist etwa die Stadt Leer der zweitgrößte Reedereistandort in Deutschland, davor kommt nur noch Hamburg. Fast 1.000 Frachter, Containerschiffe, Schwerlasttransporter und Forschungsschiffe werden aus der kleinen 32.000 EinwohnerInnenstadt durch die Weltmeere dirigiert. Im benachbarten Papenburg hat die Meyer Werft durch ihre IT-Produktionstechnologie eine weltweite Spitzenstellung im Kreuzschifffahrtsbau errungen.

Es gibt aber auch andere Beispiele wie das große Handelsunternehmen im Landkreis Leer, das sich durch sein firmeneigenes IT-Unternehmen individuelle Lösungen für zwei Rechenzentren hat schneidern lassen, um von öffentlichen Anbietern unabhängig zu sein. Als Goodie für die Angestellten richtete das Unternehmen einen Hot Spot ein. Der läuft über einen öffentlichen Anbieter – und kracht regelmäßig in den Mittagspausen oder kurz nach Feierabend zusammen, weil er den Internet-Ansturm der 450 MitarbeiterInnen nicht verkraftet.

Immerhin tappte das Unternehmen nicht in dieselbe Falle wie 350 Kunden des Billiganbieters Friesennet. Der bot auf dem Land günstige Internet-Anbindungen über Richtfunkantennen an. Eine Technik, die für schwer erreichbare Orte genutzt wird, wie zum Beispiel den ostfriesischen Inseln. Pech nur, dass Friesennet die Gebühren für die Leitungsnutzungen bei der EWETel nicht bezahlte, neben der Telekom der größte Netzbetreiber in Ostfriesland. Prompt kappte EWE im März dieses Jahres die Leitungen, und die Nutzer rutschten ins Funkloch. Auch Firmen waren betroffen. Erst als die Kunden selbst ein Sicherheitskonto einrichteten, um für die Schulden von Friesennet zu bürgen, ließ sich die EWE zur Öffnung der Netze erweichen.

Mitten auf der Wiese, etwa zwei Kilometer von der Nordseeküste vor dem Touristenort Ditzum, steht ein so genannter KVZ, das ist ein Kabelverzweiger. Von hier gehen die Einzelanbindungen ans Netz ab. „Hier beginnt dass High-Speed-Surfen“, prangt ein Bapper auf dem Kasten. Nur, hier ist nix. In Sichtweite zwei Bauernhöfe, das war’s. Egal. Mit 50 Mbit pro Sekunde soll man ab hier durchs Netz sausen können. „Das ist ja nur die Nennleistung. Tatsächlich stehen wahrscheinlich nur 20 Mbit pro Sekunde zur Verfügung und das ist für den normalen Hausgebrauch fast schon zu wenig“, sagt Extrem-User Peter K. aus Leer. Privatkunden wie er geben sich in der Stadt mit etwa 11 Mbit pro Sekunde Durchgangsleistung zufrieden. „Dann warte ich eben zwei Stunden, wenn ich Spielfilme runter lade“, seufzt Peter K.

Für die EWE ist auch der KVZ vor Ditzum eine Investition in Zukunft. Das Oldenburger Unternehmen hat sich in den letzten Jahren sehr für den Ausbau eines Breitbandnetzes engagiert. Zurzeit läuft ein Antrag bei der Bundesnetzagentur, die Netze der Telekom mit denen der EWE zu verschränken. Sollte über einen KVZ eine Nennleistung von 30 Mbit pro Sekunde unterschritten werden, so möchte die EWE die Telekom zwingen, eine Art Weiche einzubauen, damit EWE und Telekom ihre Netze gegenseitig ergänzen können. „Unser Ziel ist es, dass die Menschen in der Stadt und auf dem Land eine zukunftsfähige Internetversorgung erhalten – 1 Mbit pro Sekunde ist einfach keine zeitgemäße Breitbanddefinition“, sagt Norbert Westfal, Geschäftsführer von EWE Tel. Jeder, der einen KVZ sieht, sollte dann auch einen Zugang zu ihm haben, meint Westfal.

Noch ist es nicht so weit. „Ein Kunde hat neu gebaut, sein Nachbar hat Zugang zum Internet, unser Kunde aber nicht“, erzählt die Mitarbeiterin eines Computerservice in Logabirum. Dumm gelaufen! Dann hilft wohl nur noch trommeln.  THOMAS SCHUMACHER