: Frauenhäuser: Der Kampf geht weiter
Vor dreißig Jahren haben Fraueninitiativen die ersten Zufluchtstätten für misshandelte Frauen gegründet. Heute sind die bundesweit 380 Frauenhäuser gefährdet – fast alle Länder kürzen die Zuwendungen. Die alltägliche Gewalt aber bleibt
VON ANNIKA JOERES
Nach wenigen Tagen hatten geschlagene und misshandelte Ehefrauen alle Betten belegt: Das erste autonome Frauenhaus in Westberlin, gegründet im November 1976 von einer Frauengruppe, hatte sofort großen Zulauf. Einen Monat später öffnete auch in Köln, dann in Bielefeld ein Frauenhaus. Heute gibt es bundesweit 380 dieser Zufluchtstätten. Bis Freitag findet in Köln ein bundesweiter Kongress zum 30-jährigen Jubiläum statt.
Teilnehmen wird auch Eva Hack, die das Kasseler Frauenhaus mitgegründet oder besser: mitbesetzt hat. Die Stadt wollte mit dem Haus nichts zu tun haben. „Sie dachten, es schade der Familie“, sagt Hack heute. Also besetzte eine Fraueninitiative ein leer stehendes Haus, am selben Tag schickte ausgerechnet das städtische Sozialamt die erste geflohene Frau. Erst neun Jahre später finanzierte die hessische Kommune die Zufluchtstätte mit. „Bis dahin haben wir unentgeltlich gearbeitet“, sagt die 51-Jährige. In vielen Bundesländern nahmen Frauen in ihren eigenen Wohnungen die Misshandelten auf, mieteten kleine Räume an, später dann Häuser. „Wir mussten jahrelang kämpfen, bis unsere Arbeit anerkannt wurde.“
Heute steht in fast jeder Stadt ein Frauenhaus. Die Hälfte der Häuser ist immer noch autonom, etwa 50 Prozent werden von Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden getragen. Die Adresse ist stets geheim. Frauen können hier, auch mit ihren Kindern, für eine begrenzte Zeit Unterschlupf finden, sie werden beraten, erhalten rechtliche Unterstützung für eine mögliche Trennung von ihrem Peiniger.
Kämpfen müssen die Frauenhäuser aber immer noch: Ihre Finanzierung ist Ländersache, ihre Zuwendungen werden fast überall gekürzt. Allein in Berlin mussten in den letzten fünf Jahren 82 Frauenhausplätze abgebaut werden. Besonders drastisch hat die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gekürzt: Sie senkte die Förderung für die 62 Häuser im Land um 30 Prozent. „Wir mussten unser Angebot dramatisch einschränken“, sagt Claudia Chmel-Kloss von der Landesarbeitsagentur autonomer Frauenhäuser in NRW. Plätze mussten reduziert, die Beratung verringert werden. Der 24-Stunden-Notruf ist nicht mehr rund um die Uhr zu erreichen. „Wir müssen jedes Jahr wieder neu kämpfen.“ Auch in Hessen hat die Landesregierung unter Roland Koch (CDU) im Jahr 2004 für 8 von 32 Frauenhäusern die Zuschüsse auf null gekürzt, eines musste bereits schließen. In Thüringen wurden mittlerweile 10 von 24 Häusern dichtgemacht.
Dabei bleibt die Klientel zahlreich. 45.000 Frauen und deren Kinder flüchten pro Jahr in bundesdeutsche Frauenhäuser. Schlagende und vergewaltigende Partner gehören zum Alltag. Das Interdisziplinäre Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Bielefeld hat 2004 im Auftrag der Bundesregierung die erste bundesweite Studie zur Gewalt gegen Frauen vorgelegt. Ihr Ergebnis: Mindestens jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren, die in einer Partnerschaft lebt oder gelebt hat, hat körperliche oder zum Teil zusätzlich sexuelle Übergriffe eines Partners ein- oder mehrmals erlitten. In allen Schichten, unabhängig vom Beruf und von finanziellen Ressourcen. „Frauenhäuser sind enorm wichtig für diese Frauen“, sagt Monika Schröttle, eine der Autorinnen der Studie. Kürzungen seien fatal. „Langfristig“, so Schröttle, „muss die Gesellschaft die Folgekosten zahlen, zum Beispiel für medizinische Behandlungen.“
Kürzungen bei Hilfen für Gewaltopfer werden von Politikern, wie zum Beispiel in Hessen, mit dem neuen Gewaltschutzgesetz begründet. Nach dem rot-grünen Bundesgesetz von 2002 können gewalttätige Ehemänner für bis zu 6 Monate aus der gemeinsamen Wohnung ausgesperrt werden. Tausende von Frauen nutzen diese Möglichkeit – aber die Frauenhäuser haben den gleichen Zulauf. „Das Gesetz ist gut“, sagt Serap Altinisik von der Frauenrechtsorganisation terre des femmes. Bei besonders gewalttätigen Partnern oder wenn die weitere Familie mit im Haus wohnt müsse die Frau aber trotzdem fliehen. „Es gibt dazu keine Alternative.“ Das große Ziel, sagt auch Eva Hack aus Kassel, hätten die Fraueninitiativen von damals nicht erreicht: „Die Gewalt gegen Frauen zu verringern.“
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