Schlachtabfall für Asien

Deutsches Tiermehl wird illegal exportiert und verfüttert. In der EU ist das wegen BSE-Gefahr verboten. Strafanzeige gegen niedersächsische Ämter

„Täter sind nicht mafiose Händler, sondern führende Fleischkonzerne“

VON NICK REIMER

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat einen neuen Lebensmittelskandal aufgedeckt: Allein 2005 sollen über 30.000 Tonnen Schlachtabfälle illegal in Nicht-EU-Staaten entsorgt worden sein. „Täter sind nicht etwa mafiose Händler. Täter sind Deutschlands führende Fleischkonzerne“, erklärte gestern Foodwatch-Experte Matthias Wolfschmidt. Involviert sei Europas größter Fleischkonzern Vion genauso wie die PHW-Gruppe, zu der Deutschlands führender Geflügelproduzent Wiesenhof gehört. Foodwatch stellte Strafanzeige gegen die niedersächsischen Landkreise Fechta, Oldenburg, Emsland und Diepholz.

Es geht um Euter, Häute, Hörner, Knochen, Blut oder verdorbenes Fleisch: Laut EU-Verordnung 1774/2002 gelten diese als Schlachtabfälle der Kategorie 3. Im Zuge der BSE-Krise war verboten worden, sie – in welcher Form auch immer – in die menschliche Nahrungskette einzubringen. Zuvor passierte das etwa durch die Verarbeitung der Schlachtabfälle zu Tiermehl, das dann entweder als Zusatz zu Lebensmitteln oder als Futter für landwirtschaftliche Nutztiere verwendet wurde. Seit Tiermehl als wesentlicher Krankheitsüberträger von BSE identifiziert wurde, ist es europaweit als Futter tabu.

Allerdings gibt es zwei Hintertüren: Die proteinreichen Tiermehle dürfen zur Produktion von Katzen- oder Hundefutter sowie als Düngemittel verwendet werden. Und sie dürfen in Nicht-EU-Staaten exportiert werden, wenn es einen bilateralen Vertrag gibt, der dafür sorgt, dass die Tiermehle in diesen Drittstaaten nicht in die Nahrungskette gelangen können. „Solche Verträge gab es aber 2005 nicht“, sagt Wolfschmidt. Foodwatch-Recherchen ergaben, dass 8.900 Tonnen Schlachtabfälle der Kategorie 3 nach Russland gingen. Mit 6.200 Tonnen wurden die Thailänder beglückt. Bangladesch erhielt 3.200 Tonnen, Vietnam 5.000 Tonnen. Abnehmer war dort unter anderem die Firma RTD, die mitnichten Hundefutter herstellt, sondern Futtermittel beispielsweise für Fischfarmen. Foodwatch-Chef Thilo Bode: „Bekanntlich exportiert auch Vietnam Fischprodukte nach Deutschland. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Schlachtabfälle wieder zurück in die deutsche Nahrungskette kommen.“ Bode spricht von „einer schäbigen Kumpanei zwischen Unternehmen und Behörden“. Er rief Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) auf, alle Tiermehlexporte in Nicht-EU-Länder unverzüglich zu stoppen.

Das Landwirtschaftsministerium wies dies gestern zurück. „Nicht wir sind zuständig, sondern die den Export genehmigende Landesbehörde“, erklärte Ministeriumssprecherin Tanja Thiele. Die EU-Verordnung sehe ausdrücklich vor, dass bilaterale Verträge – Grundlage des Exports – von den Firmen beantragt werden müssten. „Wir können schließlich nicht mit jedem Land der Welt prophylaktisch einen solchen Vertrag schließen“, so die Sprecherin. Für sie sei deshalb klar, dass die Exporte der letzten Jahre „mit hoher krimineller Energie“ verbunden sind.

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