: Monsanto will das Turbo-Kalb
Gentechnikkonzerne wollen sich die Genome von Nutztierrassen patentieren lassen
WARDER taz ■ Das Schwäbisch-Haller-Landschwein war so gut wie ausgestorben, als Rudolf Bühler beschloss, die alte Rasse zu retten. Der Landwirt kaufte die letzten Tiere und züchtet sie seither. Demnächst zahlt er dafür vielleicht Gebühren an einen Konzern: Firmen wie Monsanto (USA), Genus (England) oder Topigs (Niederlande) haben das ökonomische Potenzial der Nutztiere entdeckt und sind dabei, ihr Erbgut patentieren zu lassen.
Wie weit dieser Prozess fortgeschritten ist, hat Greenpeace untersuchen lassen. Gestern stellte die Organisation das Gutachten im Tierpark Arche Warder in Schleswig-Holstein vor, in dem alte Rassen gezüchtet werden.
„Wir waren selbst überrascht, wie weit es schon geht“, sagte Susanne Gura von der Liga der Hirtenvölker, die die Untersuchung vorgenommen hat. Die Liga ist eine Nichtregierungsorganisation und setzt sich für die artgerechte Erhaltung tiergenetischer Ressourcen ein.
Die Autoren der Studie stellen zwei sich verstärkende Trends in der Nutztierzucht fest: Monopolisierung und zunehmende genetische Manipulation. Weltweit steuern wenige große Firmen den Markt. Nur noch eine Handvoll Rinder-, Schweine- oder Hühnerrassen werden in der konventionellen Landwirtschaft für die Zucht eingesetzt. So gibt es hier nur noch zwei Sorten von Legehennen: Die einen produzieren braune, die anderen weiße Eier. Die Tiere sind so überzüchtet, dass sie in einem Freigehege sterben würden.
Ähnlich sieht es bei Rindern aus: „Heutige Turbo-Kühe liefern 15.000 Liter Milch pro Jahr, sie werden alle zwei Stunden gefüttert und dreimal täglich gemolken“, erklärte Karl Fikuart von der Bundestierärztekammer. „Sie sind an der Leistungsgrenze, der Stoffwechsel kann den dauernden Entzug von Milch nicht verkraften.“ Schon das widerspreche ethischen Kriterien.
Doch mithilfe von Genmanipulationen sollen die Tiere noch mehr Leistung bringen. Erstmals hat das Europäische Patentamt ein Patent für eine genmanipulierte Milchkuh angenommen. Nach Aussage von Christoph Then, Patentexperte bei Greenpeace, steht dahinter eine internationale Gruppe von Forschern. „Patentiert wurde sowohl das Verfahren als auch eine Reihe von Genen“, sagte Then. Und da ein Patent ein exklusives Nutzungsrecht einschließt, dürfte der Patentinhaber am Ende für jedes Kalb mit diesen Genen kassieren. „Das Naturrecht der Bauern, selbst zu züchten, wäre dahin“, sagte Landwirt Bühler.
Greenpeace glaubt, dass die Großkonzerne die gesamte Kette in die Hand bekommen wollen: Geliefert würde nicht nur Erbgut, sondern auch das Spezialfutter für die Tiere, die Kontrolle übernehmen lizensierte Tierärzte: „Monsanto verlangt das bereits“, sagte Expertin Gura. „So werden die Bauern an die Firmen gebunden.“
Vor allem Monsanto drängt auf den Markt. Der Konzern hat mehrere Nutztiergenome aufgekauft. Zwar scheiterte ein erster Versuch, ganze Rassen in Europa unter Patent zu stellen, im Jahr 2005. Doch Greenpeace geht davon aus, dass Monsanto es weiter versuchen wird. Eine kanadische Firma hat bereits mehrere Fischarten patentieren lassen.
Die einzige Hoffnung sieht Then nun in der Politik: „Es darf kein Patent auf Leben geben. Es kann nicht sein, dass ein normales Tier als Kunstprodukt gilt.“ Er fordert, dass das Thema noch während der deutschen Ratspräsidentschaft angegangen werden muss. ESTHER GEISSLINGER