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Archiv-Artikel

DANIEL SCHULZ DER WOCHENENDKRIMI Listig wie ein Schaf

Ein Krimi kann auf drei verschiedene Arten die Intelligenz seines Publikums beleidigen. Dieser „Tatort“ (Regie: Patrick Winczewski) nutzt sie alle.

1. Die Rückkehr des Religiösen: Figuren wie Sherlock Holmes trugen das Licht der Aufklärung in die dunkelfeuchten Grotten eines Sujets, welches bis dato darauf angewiesen war, dass ein Fingerzeig des Schicksals den Übeltäter enttarnte. Dann zählten Beweise. Doch heute wimmelt es wieder von dunklen Ahnungen, Zufällen und übernatürlich begabten Scharlatanen. In diesem „Tatort“ ist es unter anderem ein Gesichtsleser, der auf einem alten Video des Mordopfers sieht, dass der Mann die Augenbrauen zusammenzieht und die Augen aufreißt. Er folgert: „Das ist Wut. Ein Zeichen für unterdrückte Aggression.“ Klar, der Mann steht auf sadistische Sexrollenspiele. Bis in die 1950er Jahre glaubten Wissenschaftler übrigens noch, Verbrecher an ihrer Kopfform erkennen zu können.

2. Gute Frauen denken nicht: Kommissarin Blum (Eva Mattes) ist eine im Gewebe des Zwischenweltlichen spürende Detektivin. Sie fühlt. Mit dem Opfer durch den Täter zur Lösung. Und: „Wenn mich nicht alles täuscht, passiert gleich was. Verdammt.“ Richterin Heike Göttler ist – in ihrer Kühle und Verstandesmacht – das Gegenteil von Blum. Und natürlich Tatverdächtige. Aber: Später kommt raus, dass auch Göttler ihre Urteile aufgrund übernatürlicher Sinne fällt, die ihr der saufende Vater beschert hat. Logisch, dass sie unschuldig ist. Sie fühlt ja.

3. Die Kommissarin ist dümmer als wir: So muss die Heldin den Täter mit einem billigen Psychotrick aufs Kreuz legen – denn ermittelt hat sie nichts, sie hat sich nur Mühe gegeben. Auch beim Schauspiel, je nach Situation schaut Eva Mattes listig wie ein Schaf oder bedrohlich wie ein Schaf. Untermalt mit sinistrer Musik wirkt das nur noch komisch, und wer sich nicht beleidigen lassen möchte, der lacht dann irgendwann wohl auch.

■  Bodensee-„Tatort: Im Netz der Lügen“; So., 20.15 Uhr, ARD