Restlaufzeit zieht sich etwas hin

Nach dem Ausstieg geht der Streit weiter: Politik, Wirtschaft und Gewerkschaft rangeln um die Details des Auslaufbergbaus. Höhe der Altlasten und Regularien der RAG-Stiftung sind ungeklärt

VON HOLGER PAULER UND MARTIN TEIGELER

2018, 2036 oder irgendwann – die NRW-Landespolitiker spekulieren über das endgültige Ende des Bergbaus. Wenige Wochen nach der Einigung über den Stopp der Steinkohle-Subventionierung treiben die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gewerkschaft Fragen nach der definitiven Abwicklung der Zechen um. „Ich kann für den Steuerzahler keine Entwarnung geben“, sagt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Die Altlasten und Folgeschäden des Bergbaus würden dem Land noch bis mindestens 2036 auf der Tasche liegen. „Eine Ewigkeit, die bei uns im Jahr 2036 endet“, so Rüttgers in einem Interview zu Wochenbeginn. Denn alle Prognoserechnungen über die Tragfähigkeit des gewählten Modells reichen nur bis zu diesem Jahr.

Dass das Land NRW sich quer stellt, ist auch für die Opposition nachvollziehbar. „Es geht hier ganz klar um die Frage der Haftung“, sagt der energiepolitische Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, Reiner Priggen. Eine Stiftung soll für die Altlasten der Steinkohle-Bergbaus aufkommen und den Betrieb der restlichen Zechen bis 2018 abwickeln. Das Kapital soll aus dem Börsengang der RAG kommen. Der ehemalige Steinkohle-Konzern will noch in diesem Jahr mit den Sparten Chemie, Energie und Wohnimmobilien an die Börse, der defizitäre Steinkohlebergbau soll komplett an die Stiftung abgegeben werden.

Sollte das Stiftungskapital nicht ausreichen, müsse das Land dafür aufkommen, sagt der Energieexperte Priggen. Er geht davon aus, dass sich die so genannten „Ewigkeitskosten“ auf rund 400 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Der Bund müsste 70 Prozent, das Land 30 Prozent davon übernehmen. „Die Landesregierung braucht unabhängig von der politischen Konstellation eine Mehrheit in der Stiftung, um zu verhindern, dass es Entscheidungen gegen die Interessen des Landes gibt“, sagt Priggen.

Uneinigkeit besteht auch über Organisationsfragen: Der nordrhein-westfälische FDP-Fraktionschef Gerhard Papke hatte zu Wochenbeginn im Handelsblatt die geplante Struktur der RAG-Stiftung kritisiert. Von sieben gesetzten Kuratoriumsmitgliedern sollen drei aus der Steinkohlegewerkschaft IG BCE stammen. „Da diese Kuratoriumsmitglieder vier weitere wählen dürfen, kann sich die IG BCE mit nur einer einzigen Stiftung die ganze Stiftung unter den Nagel reißen“, befürchtet Papke. Die IG BCE wollte die Äußerungen nicht kommentieren. Die Besetzung des Kuratoriums dürfe nicht anhand politischer Kriterien, sondern nur nach „fachlicher Qualifikation“ erfolgen, sagt SPD-Landeschefin Hannelore Kraft.

RAG-Chef Werner Müller rechnet damit, dass rund acht Milliarden Euro notwendig seien, um nach dem Kohleausstieg im Jahr 2018 die Ewigkeitskosten wie Bergschäden und Renten der Bergleute finanzieren zu können. Müller selbst plant, den Stiftungsvorsitz zu übernehmen, die Leitung des börsennotierten Teils müsste er dann niederlegen. Seine Pläne stoßen allerdings auf wenig Gegenliebe: Landesregierung und Bundeskanzleramt wollen Müllers Metamorphose Gerüchten zu Folge verhindern. Und auch die Liberalen haben Bedenken: „Erst muss die Stiftungskonstruktion stehen, dann kommen die Personalfragen.“

Hinter dem genauen Starttermin der Stiftung steht noch ein kleines Fragezeichen. Nach Angaben der RAG sollen die Einzelheiten bis Ostern geklärt sein. Wenig später könnte dann ein weiterer Schritt Richtung Steinkohleausstieg beschlossen werden. Noch vor der Sommerpause soll es im Bundestag die erste Lesung zum Steinkohlebeihilfegesetz geben. Darin werde ein verbindliches Stilllegedatum für alle acht bestehenden Bergwerke festgesetzt.